Behandelte Themen:
Hensel's Tonicum; Juden und Christen;
Armut; Protein, proteus und Ovid; Steinmehl duengung; Norwegen; Sand-uhr
Morphologie; Chaussee-staub; Schoepfung; Kunstduenger; Planzenkenntnisse;
Landwirtschaft; 'Sonnenduft'; Krankheiten; Fruchtabtreibung; Selbstmord;
Duell; Krieg;
und zum Schluss: Hensel seine Lieblingsdichter
Einleitung
Es wurde dem Unterzeichneten der ehrenvolle Auftrag
zu teil, die zweite Auflage dieser Schrift einer erganzenden Durchsicht
zu unterziehen und konnte derselbe dieser Aufgabe um so eher entsprechen,
als ihm ein reiches Material ungedruckter schriftlicher Mitteilungen, welches
sich wahrend seines zehnjahrigen regen Briefwechsels mit dem viel zu frueh
heimgegangenen Verfasser dieser Schrift angesammelt hat, zur Verfiuegung
stand.
Julius Hensel war einer der wenigen Auserwahlten, befaehigt unserer Zeit
um 100 Jahre in die Zukunft voraus zu blicken. Sein Streben war, die innersten
Entwickelungsvorgaenge in der Natur offen darzulegen, wozu ihn seine umfangreichen
biochemischen Renntnisse in der genialsten
Weise befahigten. Er vermied die einseitige Beurteilung
von Darwin, Haeckel, Boussingault, Liebig, Berthollet, Pasteur, Virchow
und anderen genuegte ihm nicht, die Natur und die Wahrheit zu studieren,
sondern er hatte auch den Mut, die Wahrheit zu sagen.
Er ermuedete nie in seiner
Tatigkeit, war stets fuer die bereit, welche bei ihm Rat einholten und
Hifte suchten. Die Nachwelt wird Julius Hensel volle Gerechtigkeit widerfahren
lassen und zu beurteilen vermögen, welch' eminentes vielseitiges Wissen
seinen bahnbrechenden For~chungen als Unterlage diente.
In dankbarer Verehrung
gewidmet von J. W. Teichel.
Gross-Steinberg,
halbwegs Seite 463
Von einer einprocentigen Auflösung des ameisenessigsauren
Eisens (unter dem ihm von mir gegebenen Namen " Hensel's Tonicum" bekannt)
gibt man einen Esslöffel voll zu einem Liter sterk versusstem Zuckerwasser
(100 bis 120 Gramm Zucker pro Liter). Hierdurch erhalt man eine sehr lieblich
schmeckende Limonade, von der man den Patienten trinken laesst. Die Wirkung
ist eine ueberaschend schnell restaurirende.
Die
Bereitungsweise dieses Praparats habe ich in meiner Schrift: "Neue Makrobiotik
oder die Kunst, Seuchen zu verhuten und zu heilen," im Jahre 1881 veröffentlicht.
Seit dieser Zeit findet es in allen fuenf Erdtheilen gegen klimatische
Affektionen der verschiedenen Art erfolgreiche Anwendung. (Ich
bin selber mal auf der Suche gewesen nach Spuren dieses Mittels. und kam
in ein kleines Dorf bei Leipzig grad zu spaet; da hatten die Erben des
verstorbenen Erben grad die verfallenden Reste weggeschmissen. Auch in
Ost Berlin war Hensel's ehemahliger Wohnung ganz platt, pleite und geplettet.
Piet)
Vielleicht hatte Paracelsus ein aehnliches Praparat
erfunden; wenigstens verordnete er ein "Aurum potabile"
(Goldtrank), zu welchem das Recept verloren gegangen ist. Ich vermuthe,
dass dieser Goldtrank vielmehr eisenhaltig war und dass nur die goldgelbe
Farbe, die auch dermit "Hensel's Tonicum" bereiteten Limonade zukommt,
zu dem Namen "Goldtrank " Veranlassung geb. Immerhin verdiente es aber
solchen Namen unter der Voraussetzung, dass es die verlorene Gesundheit
wiederzuruck brachte, denn die Gesundheit ist mehr als Goldes werth.
Antisemitism or historical
fact?
Was die Bedrohung mit
den "stabchenförmigen Organismen", die man Bacillen nennt, betrifft,
so mag man wollen oder nicht, man wird immer wieder an Aarons Prahlerei
erinnert, der damit gross that, mit dem hohlen "Stab", in dem er den verfaulten,
Anilinroth enthaltenden Saft der Schneckenart Aplysia depilans mitgebracht
hatte, den Egyptern das Trinkwasser verekelt zu haben. (Mos. 7. Kap. Vers
18. 19.)
Es ist rein unglaublich,
was der Welt von manchen Aerzten zugemuthet wird.
Ein juedischer Arzt in Amerika, Namens von Klein,
verlangt bereits nicht mehr und nicht weniger, als dass sich alle Welt
beschneiden lassen solle. In einer Schrift von 22 Seiten (Jewish hygiene
a nd diet, Washington1884) sagt er auf S. 11: "Humanity might be proud
if every man in the world was circumcised." Ein anderer
juedischer Arzt, Stabsarzt Rosenzweig, verlangte in einer Schrift (Schweidnitz
1878) ein Staatsgesetz, wonach "aus Gesund 464
heitsruecksichten"
die Beschneidung wenigstens aller Soldatenerfolgen sollte. In so liebenswuerdiger
Weise geht man, in Ermangelung von Chemie, mit dem Messer auf uns los.
"Durch schwere Phantasien in ihrer Ruh gestört." "Heil sie davon!"
Ich meinerseits bin durchaus dafuer, Christen und Juden gleich zumachen,
aber nicht auf diese Art! Der juedische Cultus ist ein Anachronismus
und auf Aaronsche Falschungen begrundet. Die einzige Religion, die vor
der Vernunft Stand halt und sich vollstaendig mit der Wahrheit deckt, ist
die christliche. Sie umfasst nur einen einzigen Satz und der lautet: "Wir
Alle sind Gottes Kinder und haben Antheil am Himmelreich". Was haben wir
zu thun, damit sich diese Wahrheit erfulle, und zwar schon hier auf Erden?
_
Schaffen
wir vor allen Dingen den Armut-Bacillus (das ist das Bettelstabchen oder
der Bettelstab) aus der Welt; geben wir dem Hungerwurm, was ihm gehoehrt;
aber hören wir auf, den medicinischen Lindwurm zu zuchten, der sich
mit blahendem Leib in einen Sumpf von Verwirrung und labyrinthischen Schlinggewaechsen
wohlig herumwalzt und, gleich der kretischen Missgeburt, unsere Knaben
und Maedchen solange als Opfer verlangt, bis ein erleuchteter Herrscher
kommt, der wie Theseus allem Volk Gutes thut, indem er den Landplagen mit
starker Hand und statt des Schwertes mit einem Pflugschar ein Ende macht.
XXIV. Die Erde und das Meer, unerschöpfliche
Quellen von Reichthum.
Ich habe damit begonnen, die spannende Kraft des
Wasserstoffgases, welches als "Aether" den Weltenraum erffuelt und schon
voll den Griechischen Philosophen als Urquelle aller Bewegung und alles
Lebenserkannt werd, fur die physikalische Erklaerung der Urzeugungsvorgange
zu Grunde zu legen.
In welcher Weise solche Spannkraft, indem
sie geformte Verbindungen schafft, sichtbar hervortritt, habe ich in Uebereinstimmung
mit chemischen Thatsachen klarzulegen mich bemueht. Bei der Untersuchung
des Zusammenhanges habe ich die Möglichkeitder Entstehung von Vegetabilien
sowohl aus thierischen Abfallstoffen,wie aus erdigem Material theoretisch
beleuchtet. 466 Die Stufenfolge, in
welcher das erdige Material sich durch Wasserstoff in organische Substanz
umwandelt, haben wir in Gestalt der"Proteïne" kennen gelernt.
Der
Name "Protëïn" ist dichterisch und durch Mulder in
Kurs gekommen, den dabei die Inspiration oder das Ahnungsvcrmtigen geleitet
hat. Mulder knupfte mit diesem Wort ein Freundschaftsband zwischen der
Chemie der Gegenwart und der griechischen Naturphilosophie. Er war eben,
wie Pater Secchi sagt, ein Genie, welches die Wahrheit aus weiter Ferne
witters und den lahmen Schnecken, die in Gestalt der Alltagsmenschen dahin
kriechen, beflugelt vorauseilt.
Mulder hatte heraus gefunden,
dass im Pflanzensaft, im Fleisch, im Eiweiss u. s. w. die Elemente Wasserstoff,
Sauerstoff, Kohlenstoff und Stickstoff mit Schwefel oder Phosphor als niemals
fehlende gemeinsame Grundstoffe existiren, die sich aber mit grösster
Leichtigkeit gegeneinander verschieben und auf solche Weise die mannichfaltigsten
Thier und Pflanzenformen zu Stande bringen.
Einc gleiche erwandlungsfaehigkeit
des fluessigen, also des Wassers (denn auf Wasserstoff und Sauerstoff
laeuft ja schliesslich Alles hinaus; diesem Punkt
hat Hensel sehr viel Werk gewidmet), haben schon die griechischen
Naturphilosophen wahrsagend empfunden und ihre Beobachtung in die anmuthige
Form gekleidet, dass sie das Wesen der Wandelbarkeit personificirten, indem
sie auf das Meer als auf die Person hinwiesen, die allen solchen Wandel
bewirke. Im Meere, so sagten sie scherzend, wohnt der Meergott Proteus,
derVerwandlungsgott, der macht das alles. Dass sie hierbei mit Bewusstsein
dichteten und nicht etwa voraussetzen, es könne Jemand so thöricht
sein, das Ding buchstaeblich zu nehmen, folgt aus der principiellen Anwendung
der Metapher, so oft sie von den Naturkraeften reden. Anstatt zu sagen:
Nur Liebesglut producirt schöne Kinder", erfinden sie die Fabel von
der arabischen Myrrha und ihrem Knaben Adonis.
Anstatt zu sagen: "Nachdem Regenschauer den weissen
Kreidefelsen der Wueste erweicht haben, trits die Sonne hervor und erzeugt
die Weihrauchstaude", kleiden sie vielmehr die zeugende Kraft der Sonnenglut
in die Person des Helios, der uberraschend in das Gemach der Leukothea
(weisse Göttin) eintritt. Als Gegenstuck dazu folgt unmittelbar
darauf (und das macht ebendie Absicht erkennbar) die Beschreibung der Wirkung
des eiskalten Gletscherwassers unter der Form der Erzahlung von der salmacischen
Quelle und dem 16 jahrigen Sohn des Hermes und der Aphrodite (OvidMetam.
4. Buch). "Niemand vermochte zu sagen, ob es ein laedchen zu nennen, Oder
ein Knabe, was jetzt aus dem frostigen Wasser emporstieg." 466
Die
Bedeutung dieser letzten Fabel ist, dass bef Junglingen, die an der Schwelle
der Mannbarkeit stehen, ein kaltes Bad den Cremaster-Muskel, der den Funiculus
spermaticus umwindet, so stark verkuerzt, dass zuweilen die Keimdrusen
durch die Fascie des Cruralringes in die Bauchhöhle zuruckschlupfen.
Statt dessen wird gesagt und zwar im unmittelbaren Anschluss an die Wirkung
der Sonnenglut: "Soll ich euch sagen, "warum die kalte salmacische Quelle
Jeden unfehlbar entmannt, der seine Glieder drin badet?" In der Natur
sind eben Waerme, Wachsthum und Fruchtbarkeit zusammengehörige Begriffe.
Man darf sich daher nicht wundern, dass das Thema voll der Zeugung den
rothen Faden bildet, der sich durch die griechische Naturphilosophie hindurchzieht,
und
ich sehe daher in Ovid,
trotz seiner "Ars amandi" nicht sowohl den Erotiker, fuer den er ziemlich
allgemein gilt, als vielmehr einen Naturphilosophen ersten Ranges. Ovid,
der in seinen "Metamorphosen" die griechische Lehre von den naturkraeften
in dichterischem Gewande wiedergibt, sagt nun von dem Proteus im 8. Buch
was folgt:
"Viele der Götter
vermögen nur einmal sich zu verwandeln;
Proteus aber, der Seegott,
hat
mal die Gestalt eines Menschen;
Mal
verwandelt er sich in einen reissenden Loewen;
Mal
umkreist er, zur Schlange gekruemmt,
die kiesengesteine;
Mal
wird er selbst zum Stein;
mal
taeuscht er als Baumstamm das Auge; Fliesst
hier als Welle dahin, und dort ist er loderndes
Feuer."
Das klingt etwas wunderbar, und es ist doch so
einfach.
Wir haben zunachst die Welle oder das Wasser,
in welchem, wie sich nachrechnen lasst, _ wir wollen es nachher thun
_, die Spannung des Wasserstoffgases concentrirt beisammen steckt und
bei dem geringsten Sonnenstrahl in energische Funktion tritt. Die Sonne
hebt das Wasser dunstförmig empor, und es benetzt als Regen den kahlen
Granitstein. Diesen verwandelt das Wasser, falls er etwas Schwefelcalcium,
Schweelnatrium oder Schwefeleisen enthalt, in einenTannenbaum, dessen Wurzeln
wie Schlangen das zerklueftete Gestein umwinden. Wenn wir diese Wurzelschlangen
an einer Stelle anbinden, sogeinen sie in lodernden Flammen auf. Wenn wir
aber den Baumstamm einen Fuss hoch ueber der Erde absaegen, so quellen
aus dem Stumpf und den Wurzeln ahlmalig hunderterlei neue Gewachsformen
hervor, u. a. das schlangenahnliche Lycopodium olavatum, die schlangenahnliche
Linnaeaborealis, das schlangenwurzlige Vaccinium vitis idaea und andere
Ericaceen, Majanthemum, Convallaria, Fragaria, Rubus, Rosa, Sorbus, Juniperus.
Mancher Baumstumpf in norwegischen Waldern ist auf demSageschnitt so gleichförmig
mit langem Moos bedeckt, dass er in riesiger Dimension das bewimperte Cylinder-Epithelium
der Histologen nachahmt. Ich zeigte dem Herrn Faktor der 467
Officen,
in der die erste Auflage dieses Buches gedruckt wurde, als ian einem Sonntag
(12. Juli 1885) den Urwald am nördlichen und suedlichen Elvaagen-See
unweit Christiania mit ihm abstreifte, alle diedirekter Umwandlungen sowohl
der Felsen wie des Baumstam, Materials, die von manchen Leuten so kaltblutig
abgestritten werde jazweimal, als ich den dichten Haarschopf von Moos oberhalb
des Baumstumpfs gewaltsam ablöste, wimmelte
es darunter von kleinen Ameisen, deren "Sanduhr-Formen" (die Insekten
sind liebenswuehrd genug, meine Sanduhr-Form-Theorie in typischer Weise
zu illustriren; auch hieran widmet Hensel einiges) urgezeugt aus dem
phosphathaltigen Saft der Baumstuempfe hervorgegangen waren. Dies
lehrte die Gesammtheit der waltenden Usance. Die ganze Colonie der sehr
kleinen Ameisen-Art hatte augescheinlich erst in den letzten Stunden ihren
Larvenzustand beendigt undes war ihnen noch nicht gelungen, sich durch
das sehr dicht Trieblager der Moosdecke einen Ausweg zu bahnen. Uebrigens
war auf den Baumstuempfen selbst oder in deren Nahe auch nicht ein einzige
Ameise wahrzunehmen. In solcher Weise verwandelt sich ungesehn das Proteïn,
Dank der spannenden Additionskraft des Wasserstoffgases, wie sie im Wasser
wirksam ist. Das Maass dieser Spannkraft ist leicht zu berechnen. Legen
wir den Rotheisenstein, Fe4O3 (Fe = 28), zu Grunde, dem das specifische
Gewicht 5 zukommt, so sind in einem Liter davon, bei 70 Gewichtsprocent
Eisen, 3500 Gramm Eisen und 1600 Gramm Sauerstoff in chemischer Verdichtung
beisammen. Und zwar erfuellen 3500 Gramm Eisen (spec. Gew. 7,84) den Raum
von 444 Cubikcentimetern, also dass fur die 1500 Gramm Sauerstoff 556 Cubikc.
uebrig bleiben. Diese 1500 Gramm Sauerstoff geben mit einer equivalente
Menge (alsomit 187 1/2 Gramm) Wasserstoff 1687 1/2 Cubikc. Wasser, d. h.
der Raum des in dem Erz steckenden Sauerstoffs wird durch chemische Addition
einer equivalenten Menge Wasserstoff verdreifacht (556: 1687 1/2). Hierdurch
sinkt das Durchschnittsgewicht des Produkts so betrachtlich herab, dass
der oxalsaure Kalk (S. 343), der durch Addition von Wasserstoff zu kohlensaurem
Kalk entsteht, sich ueber letzteren erheben oder darueber hinauswachsen
muss. Proteus steckt nunmehr in Gestalt einer
Flechtenart (s. S. 339) den Kopf au dem Felsen heraus, indem er Sauerstoff
(Brennluft) exhalirt. Sobal er sich wieder mit dieser Brennluft chemisch
vereinigt, wird er zum warmendem und leuchtendem Feuer. Also brauchen wir
nur reel viel Wasser zerlegen zu lassen, indem wir geeignetes Gestein (Feldstein
und Kalkstein), systematisch mit Wasser befeuchtet, dem Sonnenschein aussetzen,
damit wir in Gestalt von Holz, Zucker und Oel transportablen Feuerstoff
innerhalb und ausserhalb unseres Leibes auf zuspeichern vermögen.
Solcher
Feuerstoff wird aus dem Wasse gewonnen, aus dem Meer, das unerschöpflich
ist. 468 Wasser enthalt
den Brennstoff und den Lebensstoff. Ohne W a s s e r haben noch so grosse
Landstrecken keinen Werth, denn die Schatze der Erde können ohne Wasser
nicht gehoben werden, das drangt sich uberall unseren Sinnen auf. Waehrend
z. B. in den wasser- und regenlosen Gebieten Afrikas und Asiens die Vegetation
gaenzlich mangelt, und auch am Orinoco alles Pflanzenleben sammt den Saemereien
in der Duerre zu Staub zerfallt, spriesst nach dem Regen sofort neues Leben
aus dem Staub, wenn die Sonne darauf scheint. Wieviel die Bewaesserung
thut, das sehn wir an Egypten. Indenjenigen Regionen Egyptens, wo man aut
das Ueberschwemmungswasser des Nils angewiesen ist, erntet man das 50fache
Korn, aber nur einmal im Jahr. Da, wo man kunstliche Bewaesserung eingefuhrt
at, erntet man dreimal; aber im östlichen Theil von Egypten, wo es
an Fluessen und Seen mangelt, erntet man gar nichts. Das ist deutlich genug.
Wer ernten will, muss bewaessern. Und darum liegt im Wasser der allerkostbarste
Schatz. Durch den wasserdunst, den das nahe Meer an die Gebirge abgibt,
ist u. a. auch Norwegen (Hensel hat waehrend das
schreiben dieses Buches in Norwegen gelebt, es nimmt also nicht wunder
das er einige passagen daran widmet) ein Land von uberschwanglichem
naturichem Reichtum. Wieviel Kali, Kalk, Natron und Magnesia steckt in
seinem Gestein, d as durch die Kohlensaure und den Stickstoff der Luft
mit Wasser lebendig wird, sobald die Sonne darauf einwirkt. Und da es an
Sonnenchein in Norwegen durchaus nicht mangelt, so waere zu wunschen, dass
die Bewohner dieses Landes ihre naturlichen Hilfsquellen kennen lernen
und aller Welt zeigen möchten, dass nicht Gold und Silber das Herz
froh machen, sondern nur der innigste Verkehr mit der beebten Natur. Was
wir an Erfahrung gebrauchen, ist so gering, dass es uns nicht in Verlegenheit
setzen kann, dafern wir nur den Pesthauch der grossen Stadte vermeiden,
wo Einer dem Andern Luft und Athem, Nahrung, Obdach und Kleidung vertheuert.
Ist es nicht geradezu thöricht, sich nach den Gahrhaufen der Riesenstadte
zu draengen wo Einer vom Andern leben will, wahrend der allnaehrende Busen
der Natur von Nahrstoff strotst, aber verwaist gelassen wird?_Man "zuchtet"
auf solche Weise kunstlich einen Lebensnoth-Bacillus, der in der Natur
gar nicht existirt. Man ubersieht gaenzlich die Hilfsquellen, die in der
Erde und im Wasser stecken, weil man mechanisch nachspricht, was Andere
vorgesprochen haben. Man sagt dann, weil man denkfaul ist, "die Sache sei
ja selbstverstandlich". ............... Wenn wir zur rechten Zeit, wo die
Sonne wirkt, fur Wasser sorgen, statt die Hande zu falten und zu stöhnen:
"Teufel, diese Hitze!"_so können wir mehr als auskömmlichen Nahrstoff
und Warmestoff fuer den Winter anhaeufen. Aber
es ist beschaemend zu sagen, wie weit wir mit unseren Bewasserungs-Anlagen
hinter den "Wilden" zuruck sind. ' In dieser Beziehung verweise
ich auf Ceylon. Die Singhalesen haften unter der Herrschaft ihrer eingeborenen
Fursten ein sehr ausgedehntes Wasserleitungssystem. Als dann die Hoellander
und Englander die Insel "in Schutz" nahmen, liess man die Wasserwerke verfallen,
und die Fluren verwilderten. Was wird einst Norwegen sein, wenn es Wasserleitungen
haben wird! _Der Einwand der Kostspieligkeit ist nicht in Anschlag zu bringen,
denn die Anlage kostet nur einmal, die Unterhaltungskosten sind gering,
und der Nutzen bleibt fuer immer, weil die Norwegischen Landseen unerschöpflich
sind, dank den Gebirgshöhen, welche fortwaehrend die Dunste des Meeres
verdichten. Friert doch das Meer an der vom Golfstrom bestrichnen Kuste
niemals zu. Und Norwegen strotzt förmlich von kleinen Seen und Fluesschen
in so regelmassigem Geader, dass es im grossen Maasstab einem modificirten
Eidotter gleicht. Wahrend namlich in letzterem zwischen unzahlbaren Oel
- Inseln wassrige Salzlösung circulirt (S. 424), sind indiesem Lande
die Salzmassen starr, in Form von Silikaten, und der spannende Wasserstoff
ist in den Landseen aufgehauft, die zu bedeutendem Theil hoch uber dem
Meere liegen, so dass man durch Wasserleitungen Distrikte urbar
machen kann, auf denen gegenwartig nur Moose und Flechten wachsen, weil
Schnee und Regen sen' den 6000Jahren, dass die Erde sich dreint, von dem
glasharten Granit kaum die oberflachlichste Schicht abgelöst haben.
Hier liegt soviel Kali und Kalkerde brach, dass die ganze Welt damit versorgt
werden kann, wenn man das zersprengte Gestein "tröstet" und gluehend
in Wasser wirft. Es lasst sich dann leicht zerpochen und zermahlen und
in Ackererde verwandeln. Statt dessen
legt man die Haenden den Schooss und lasst sich in den Sumpf fuhren durch
Darwin' der da fabelt, dass der Regenwurm diese Arbeit auf sich
nehme. Indem wir auf den Regenwurm warten, vergeht die Zeit und es geschieht
nichts. (Nanu, genuegend regenwuermer vermoegen
viel, aber vielleicht keine Steine zu zermahlen wenn du das meinst)
Die
Schatze der Erde bleiben ungehoben. Ich habe vorher Norwegen mit einem
Eidotter verglichen. DieserVergleich ist sowohl physikalisch, wie chemisch
und metaphorisch gerechtfertigt. Haengt nicht Sud-Norwegen an Nord-Norwegen
wie ein eiförmiger Same am Umbilicus?_Und stellt nicht Gebirg und
Wasser thatsachlich concentrirteste Eisubstanz dar, die sich in Zucker
und Brot, Milch und Fleisch verwandeln kann und aus diesem Grund mit allem
californischen und indischen Gold unbezahlbhr ist?_mit Gold unbezahlbar,
denn Brot und Fleisch sichern uns das Leben, waehrend das Ende vom goldenen
Alidas-Lied lange Eselsohren sind. Ich sehe sogar in Norwegen das Ei, aus
welchem eine Wiedergeburt des Menschengeschlechts zu Stande kommen kann.
Da doch Wasserdaempfe grosse
Mengen Waerme festhalten so erfreut sich Norwegen, dank einer sehr regelmassigen
Wasservertheilung durch Landseen, und dank dem Golfstrom, der fast die
ganze Kueste beruhrt, eines Durchschnitts-Klimas von so gunstigem Charakter,
dass die mittlere Lebensdauer der Bewohner gegen die aller anderen Lander
im Vortheil steht. Aus diesem Lande könnten 30 Millionen Menschen,
die einander indie Hànde arbeiten, ein Paradies schaffen, waehrend
jetzt 2 Millionen Menschen etwas einsam darin leben. Welch ein herrliches
Land Norwegen ist, das wissen die Daenen zu schaetzen, deren Landdurchgehends
flach liegt, wàhrend Norwegen von der Natur terrassenförmig
aufgebaut ist. Schon dreimal bin ich auf kleineren Reisen mit gebildeten
Danen in's Gesprach gekommen, und immer war das Erste, was sie sagten:
"Norwegen ist ein schönes Land." Norwegen ist sogar im Vorzug gegen
Cey-lon, weil man im Norden, dank dem Wechsel der Jahreszeiten, jedes Jahr
ein neues Leben lebt, wàhrend das gleichförmige indische Klima
von einem solchen neuenWiederaufleben nichts weiss. Der Wechsel der Jahreszeiten
wirkt conservirend und erfrischend. Daher eben die vielen Leute, in diesem
Lande, die Ober 100 Jahr alt werden. Und sind nicht die Jahreszeiten wie
ein bewegliches Panorama, das vor uns vorueber gerollt wird ? _ Damit het
das Volk zugleich "Panem et Circenses", eine gemueth erwaermende Unterhaltung,
die von den Bewohnern solcher Riesenstaedte wie London und Paris nicht
gekannt ist. "Panem et Circenses", Brot und Unterhaltung! _ Die Fullung
des Magens ist so schnell beendigt, dass die darauf verwendete Zeit gar
nichtin Betracht kommt. Wie wichtig auch die Ernahrung des Körpers
sei, sie ist nichts, wenn nicht auch der Geist das Seinige empfangt. Der
Tag ist so lang, und der Geist so durstig danach, etwas zu seinen, zu hören,
zu fuhlen, zu schaffen. Ohne dass namentlich dem eingeborenen Schaffenstrieb
Genuege geleistet wird, kann kein Mensch froh sein. Die Thaetigkeit unserer
Hande ist unser Glueck. Sie macht den bei weitem g rö s s t
e n Inhalt unseres Lebens aus. Darum gewahrt man dem Volkeweit meier,
wenn man ihm (ohne Ueberbuerdung!) zu unterhaltender Beschaftigung und
produktiver Thatigkeit Gelegenheit gibt, als wenn man Geld unter die Leute
streut. "Panem et Circenses!"_Brot und Theater! _ Gibt es einentzuckenderes
Theater, ein noch schöneres Kampfspiel zu betrachten,als die Kràfte
der Natur auf einander wirken zu seinen? Das Wasser oder den Wald rauschen
hören, das Getreidefeld wogen, den Klee bluehen, die Sonne auf- und
untergehen, den Thau im Grase glitzern, die Wolken sich bewegen, die Viehherden
gedeihen zu sehen, ist das nicht auch eine Beschàftigung? Und die
allerköniglichste Beschaftigung, so denke ich mir, muss darinbestehen,
wenn man den strebenden Kraften Gelegenheit zu fruchtbarer Entfaltung gibt
und sie in friedliche Bahnen lenkt. Die friedliche und fruchtbare Bahn
heisst: Circulation! Wie die Keimdrusen nicht lebendig bleiben und nicht
Frucht tragenkönnen, wenn nicht das Blut hinfliesst und wieder zurueckfliesst,
wennnicht Sauerstoff hin- und zuruckströmt, so kann auch das Erdreich
nichtergiebig sein, wenn nicht die Strömungen von Wasser und Luft
einander ablösen. Stockt die Bewegung des Wassers oder der Luft, so
stocks auch die Fruchtbarkeit.
Auf unseren festgestampften Chausséen, weil kein Wasser in die Erde
eindringen und abfliessen kann, wachsen keine Krauter, wohl aber an ihren
Ràndern, an ihren Böschungen, wo das Erdreich porös bleibt
und das Regenwasser herabrinnen kann. Da gedeihen urgezeugt, ohne gesatworden
zu sein, im Verlauf der Jahreszeiten einander verdràngend, die zahlreichen,
sich ueberall gleichbleibenden Formen der Granit- oder Feldspat-Pflanzen.
Dass die Bestandtheile des Granits in kohlensaurem Wasser nichtunlöslich
sind, lehren uns die Eeilquellen, deren Analysen phosphorsaureThonerde
und die Verbindungen der Eohlensaure mit Eisen, Mangan, Magnesia, Kalkerde
und Strontianerde, ferner Kieselerde und Fluorcalcium neben kohlensaurem
Kali und Natron aufweisen. Diese Analysen von Heilquellen sind wirkliche
und echte Hieroglyphen, auf Deutsch: eine heilige Schrift. Dass diese heilige
Schrift bisher unentziffert blieb, kommt daher, weil sie mit chemischer
Tinte geschrieben ist. Hier folgt nun der Commentar. Wenn der Regen in
die Gebirgsklufte eindringt, so nehmen 1000 Theile Wasser einen Theil Kieselsàure
in Auflösung. Die freigewordenen basischen Substanzen (Kali, Natron,
Eisen, Mangan, Kalk und Magnesia) verbinden sich mit der im Regenwasser
aufgelösten Kohlensaure. Damit ist nun ein gemischtes Protoplasma
vorhanden, weil auch phosphorsaure Thonerde und Schwefelnatrium im Granit
stecken. Scheint nunmehr die Sonne auf ein solches Wasser, das mit Protoplasma
beladen aus der Erde quillt, so geht der aus dem Wasser elektrolytisch
abgespaltene Wasserstoff augenblicklich an die Arbeit, Gewachse aufzubauen,
und zwar immer zugleich zwei, vier oder sechs 472
verwandte
Arten, den Bauer Plantago (Wegetritt) mit 4 Antheilen, den König
Verbascum (Königskerze) mit Bruchsthuecken einer bestimmten
Protoplasma gruppe. Schwefelsaures, phosphorsaures, kieselsaures und kohlensaures
Kali, Natron, Kalk und Magnesia zerspritzen das eine Mal zu Hafer-, Gerste-,Rog",en-
uml Weizen-Protoplasma; das andere Mal zu Buchweizen,
Hirse, Reis uml Mais; dann wieder zu Rothklee, Goldklee, Luezerne und Esparsette;
oder zu Raps, Senf, Wicke, Linse, Erbse, Bohne; zu weisser, gelber, rother
und schwarzer Rube; zu Erdbeere, Himbeere, Stachelbeere und Johannisbeere;
zu Kirsche, Pflaume, Pfirsich und Aprikose; zu Hanf, Brennnessel, Bienensaug
(Lamium) und Gundermann (Glechoma); zu Löwenzahn (Leontodon), Cichorienstaude,
Kamille und Wucherblume (Chrysanthemum). So kommt es, dass uberall, wo
Heilquellen fliessen, eine entzueckende Natur das Gemuth erfrischt. Die
Erde und das Wasser umarmen sich imSonnenschein, und erzeugen Blumen und
Fruchte. Es liegt nur an uns, dass uns solche Heilquellen ueberall fliessen
und unser Fuss allerwarts auf Blumen wandle; wir brauchen nur Granit undkohlensauren
Kalk an die Stellen hinzuschaffen, wo er fehlt, und in der warmen Jahreszeit
mit Wasser zu netzen. In Norwegen bluhen die Gebirge selbst ohne kohlensauren
Kalk, weil der Granit doch wenigstens Kalk enthalt. Indem der Regen und
das Wasser der Landseen die atmospharische Kohlensaure absorbiren, geschieht
das Gleiche wie dort, wo kohlensaures Wasser aus der Erde quillt; es geht
nur weit langsamer. In jedem Falle aber verwandelt kohlensaurehaltiges
Wasser die Erden in Protoplasma.
Dreitausend Jahre (Hensel's
Zeit Konzeption ist Biblisch, nicht geologisch) sind nöthig gewesen,
um den skandinavischen Granit in Walder und blumige Auen zu verwandeln,
nachdem seine erste Bernsteinflora zu Grunde ging. Jetzt nun, wo wir die
chemischen Schriftzuge der Kohlensaure zu lesen verstehen, brauchen wir
nicht meierso lange zu warten. Wir durfen das kohlensaure Regenwasser
nicht mehr in die Fjorde laufen lassen, sondern muessen es festhalten,
indem wir ueberall, wo der kahle Granit liegt, zermahlenes Gestein hinstreuen.
Alsdann
kann ganz Norwegen das sein, was ein Graf Borromeo aus wuesten Inseln im
Lago maggiore gemacht hat, namlich: bluhende Garten! Dass die Norwegische
Vegetation mit ihrem unvergleichlichen Duft urgezeugt
aus Granit bervorging, sieht man auf jedem einzigen Spaziergang sausend
Mal. Aus ueberhaengenden Gesteinen, die einem Samen auch nicht die geringste
Unterlage geben, weil sie schrag nach einwaerts abfallen, spriessen allerlei
Gestrauche hervor. Man könnte nun zwar fragen: "Wie können aus
einem und demselben Material ("du sagst, es sei Granit") so tausendfach
verschiedene Pflanzenformen hervorgehn?" Aber das ist nicht schwer zu beantworten.
473
Wir
haben das kaum sichtbare Menschen- Ei als einen wahren Oceanvon chemischen
Molekuelen kennen gelernt. Danach ist jedenfalls einsichtbarer Wassertropfen
mit gleichem Recht als ein Ocean von Molekulen in Anspruch zu nehmen. Welche
enorme Zeit braucht es, um einen Tropfen verdachtigen Trinkwassers, nachdem
er zwischen zwei Glasern breitgequetscht werd, mikroskopisch zu durchsuchen;
die Ausdehnung und der Inhalt sind ganz enorm. Es ist daher meier alsbescheiden,
wenn ich anstatt 100000 blos 126 wohlgezaehlte chemische Molekuele in einem
mit Chausséestaub angeruehrten Wassertropfen zu Grunde lege. Im
Chausséestaub haben wir es mit dem feinen Pulver von Granit zuthun,
welcher phosphorsaure Thonerde, kieselsaures Kali, Schwefelnatrium, Fluorcalcium,
kieselsaures Eisen, Mangan und Magnesia beisammen enthalt. Diese Materialien,
die im feurigen Fluss als urspruengliches Sonnenglas eine ganz andere Gruppirung
gegen einander einhielten, als sie nach der Abkuhlung behalten haben, wo
sie bereits zu hartem Quarz, weichem Glimmer und mittelhartem Feldstein
auseinander krystallisirten, werden, sobald ihr feiner Staub durch Wasser
und Sonnenschein beweglich gemacht wird, dank der ihnen eingeborenen Spannung
sofort einen Kampf um die Platze beginnen, unter Beruecksichtigung der
Symmetrie
und der polaren (axialen) oder aquatorialen (rechtwinkligen) Einstellung
gegen einander.
Dieser Kampf lasst sich, wenn wir zu einem Wassertropfen auf einer Glasplatte
mit einem feinen Pinsel etwas Chausséestaub hinzugeben, mitden blossen
Augen verfolgen; man nennt solchen Kampf ganz richtig "Molekular-Bewegung"
Wenn nun also ein Regentropfen auf Chausséestaub faellt, so könnte
es sein, dass davon 36 Molekuelen kieselsaures Kali, 30 phosphorsaure Thonerde,
24 flusssaure Kalkerde, 18 kieselsaure Magnesia, 12 Schwefelmangan und
6 kieselsaures Eisenoxydul betroffen werden, diesich in so mannichfaltiger
Modifikation gruppiren können, dass trotzgleicher Art und Anzahl der
Molekule sehr abweichende Reihenfolgenauftreten und auf solche Weise bef
gleichem Grundmaterial dennoch die verschiedensten Protoplasma-Arten zu
Stande kommen, indem je nach Warme und Belichtung die voraufgegangene chemische
Wechselwirkung anders geartete Neubildungen nachsichzieht, analog der Umwandlung
von Eisenvitriol und Kochsalz zu Eisenchlorur und Glaubersalz. Unter solchen
Neubildungen fordert als die allerwichtigste das phosphorsaure Kali, welches
der durch Sonnenkraft bewirkten elektrolytischen Zerlegung von phosphorsaurer
Thonerde und kieselsaurem Kali unter Zuruecklassung von kieselsaurer Thonerde
sein Dasein verdenkt, unsere gespannteste Aufmerksamkeit. Wir finden das
phosphorsaure Kali in saemmtlichen Chausséestaubpflanzen. Die Asche
der Cichorienstaude, die an allenWegen wachst, wo der feine Chausséestaub
von den Fuhrwerken aufgewirbelt, ueber 474
die
Böschung getragen wird, liefert gegen 25 Procent phosphorsaures kali.
Die Chemiker sagen nun: "Ja, lieber Freund, das kommt von dem Pferdemist
her; der enthàlt phosphorsaures Ammoniak, und auf allen Chausséen
lassen die Pferde ihren Mist fellen. " Dagegen ist nichts einzuwenden.
Wie denn nun aber an den Böschungen der Eisenbahnen, wo ich rothen
Klee, Goldklee und Wicke beisammen finde?_DieWicke und alle Schotenfriichte
enthalten phosphorsauren Kalk. Lasst das Dampfross vielleicht ebenfalls
phosphorsaures Ammoniak fallen?_Und oben der kahle Granit, auf dem die
Tannen wachsen, deren Asche 5 Procent Phosphorsaure enthalt, lassen die
Wolken ebenfalls Pferdemist fallen?_ Nein, die Sache ist wieder einmal
umgekehrt! _ Die Hippokrene entspringt aus dem Felsen. Der Granit enthalt
Phosphorsaure und Kali; daraus wachsen Kraeuter, und mit diesen kommt das
phosphorsaure Kali in Kuehe und Pferde hinein. Die Phosphorsaure ist eine
feuerbestàndige Substanz, die nicht ausden Wolken geliefert wird
und nicht durch die Luft spaziert kommt. Wenn ich sie daher in Tannen finde,
die aus Urgebirgs-Granitstein ihre Nahrung ziehn, so muss sie im Granit
vorrathig sein, und zwar als phosphorsaure Thonerde, die, wegen ihres,
der Thonerde aehnelnden chemischen Verhaeltens, bei Gesteins-Untersuchungen
bis dahin fur blosse Thonerde genommen werd. Dank dieser, aus Anlass unserer
Studien gewonnenen kostbaren Erkenntniss zeigen sich plötzlich die
Schatze der Erde vor unserem erstaunten Blick, und wir stehen, Gott sei
Dank, vor einer neuen Aera der menschlichen Kultur. Von
jetzt ab brauchen wir den Fabriken nicht mehr ibr vertheuertes Superphosphat
abzukaufen, weil uns die Getreide erzeugende Phosphorsaure kunftig in Gestalt
des Urgesteins sogut wie nichts kostet. (Leider
ist das nicht wahr, aber wenn wir dagegen die Kosten, gemacht wegen Mangel
daran, aufrechnen muessten, wuerden wir uns nicht lange bedenken brauchen)
Und damit öffnet sich uns im Angesicht der ueberwaltigendenUrgebirgsmassen,
sowie der, unsere Aecker durchsetzenden Feldsteineeine eigenartige Perspektive.
Naemlich indem wir ueber das scheinbar todte Gestein hinwegschreiten, welches
erkalteter
Sonnenglasfluss ist, wandele wir auf dem Protoplasma einer kunftigen Erden-Generation
umher, denn aus der Phosphorsaure, die an Thonerde gebunden ist, geht mit
Oelstoff und Ammoniak menschliche Gehirnsubstanz hervor; aus dem Schwefel,
der als Schwefelnatrium im Granit steekt, entsteht der Sehnenstoff; und
Kalkerde, Magnesia, Mangan, Kali, Natron und Eisen liefern Knochensubstanz
und Blutsalze. Das ist die Umkehrung jener Elegie (ich glaube von Hölty),
in welcher angesichts eines Todtenschadels die Stelle vorkommt: "Diesen
Kopf bewohnten einst Gedanken; "Wo ich trete, staubt vielleicht ein
Herz." 475 Nachdem wir
nunmehr zu dieser elegischen Betrachtung das Gegenstueck haben, insofern
als wir mit unseren Fussen nicht blos auf dem Nacken der Vorwelt, sondern
auch der Nachwelt stehen, so muessen wir es uns schon gefallen lassen,
dass dafuer einst die Nachwelt auf unsere Köpfe tritt. Indessen
der Lebende het Recht. Einstweilen fahren wir mit Pferdund Wagen Ober den
Nerven - Phosphor der Nachwelt hinweg undschöpfen aus der Umwandlung
des Chausséestaubs zu nahrenden Futterkraeutern, an denen das liebe
Vieh sich labt, die freundlichsten Verheissungen.
"Das Leben gleichet der Reise, So saget der Weise.
Wohlan, wohlan! So fuellt euch zur Reise die Taschen, Bequem unterweges
zu naschen; Weit fröhlicher reiset sich's dann."
Die Linien der Chausséen, auf denen nun
schon so lange die Postkutsche und der Lastwagen die Schötterung zermahlen,
sind eine kosmopolitische Schrift geworden. Die phosphatreiche Cichorienpflanze,
sammt Löwenzahn und Schafgarbe, Klee u. s. w., allesammt den Schafen
ein so dienliches Futter, in allen Farben bluhend, reden zu uns in der
Blumensprache:
"Gehet hinaus auf die
Flur, und streut, ohne ruckwarts zu schauen Nach dervergangenen Zeit, mit
aufgestreifetem Aermel Auf das entblösste Gefilld eurer Mutter Erde
Gebeine."
(Ovid Metam.)
"Streut
Granitstaub sammt Kalkstein auf eure Aecker und saet Gerstenkorn und Weizen
hinein; dann werden sich eure Fluren bevölkern
weil
die Steine
lebendig werden;
dann werdet ihr ein emsiges Myrmidonenvolk hantieren sehn. Der Zauberstein,
den ihr unter die kriegerische Schaar der Leidenschaften zu werfen hebt
mit der Wirkung, dass eine die andere vernichtet, es ist ein gewöhnlicher
Feldstein, wo hattet ihr nur eure Augen?_Seht nur, es wachsen daraus urgezeugt
eine
Menge Zauberkrauter, denen allen die Kraft beiwohnt, den Drachen "Vorurtheil"
in Schlaf zu senken, der mit dreifach gespaltener Zunge (Armut, Unwissenheit,
Missgunst) ueber goldenem Gestrauch lagert. Ihm könnt ihr nunmehr
als neue Ritter vom goldenen Vliess alle Schatze rauben, die er bis dahin,
ohne daran Freude zu haben, bewachte und den Erdenbewohnern missguenstig
vorenthielt." (Ovid Metam. 1. und 7. Buch).
Wie war es ueberhaupt nur möglich, dass man das Kleesalz(oxalsaures
Kali), den Weinstein (weinsaures Kalihydrat), den wasserhaltigen Gruenspan
(essigsaures Kupfer), die apfelsaure Kalkerde u.s. w. als organische Substanzen
abhandelte, das cyan entsprossene Ammoniak in den Abschnitt der unorganischen
Stoffe verwies und dasselbe sammt den Erden und dem Wasser aus dem Rahmen
der organischen Chemie hinausstiess! _Es gibt auch nicht eine
einzige Abtheilung auf dem Gebiet des Wachsthums und der Ernaehrung, wo
nicht die Erden und das Wasser im Vordergrund stuenden.
Ohne dass wir uns klar
bewusst auf diesen Standpunkt stellen, gehn wir an den Hilfsquellen, die
uns zu Gebote stehen, blind voruber und muessen fortgesetzt Schaden leiden.
Von welcher Tragweite dies
ist, sei mir gestattet hier anzudeuten, indem ich auf einige, die and-
und Volkswirthschaft interessirende Themata vom chemischen Standpunkt aus
kurze Streiflichter fellen rasse.Die thatkraeftige auf die Praxis gerichtete
Initiative muss von andererSeite kommen.
XXV. Land- und Forstwirthschaft.
Der zweck der taetigen
Menschengilde ist die urbarmachung der Welt ob du pfluegest des Geistes
Gefilde
Oder bestellest das Ackerfeld.
Rueckert
Weinbau. Das Protoplasma
des Weinstocks, wie es in denTraubenkernen nach Ausweis konstanter Verhaltoisse
derAschenbestandtheile zum Ausdruck kommt, bedarf Kali (71), Kalkerde(84),
Magnesia (21), verbunden mit Phosphorsàure (51), Schwefelsaure(6),
Kieselsaure (3) und Salzsaure (1) in den beigefuegten Gewichtsverhaltnissen.
Alle diese Bestandtheile finden sich in der Lava, welche geschmolzene Silikate
bedeutet. Da die Lava ein relativ rasch erkaltender Feldspat-Glasfluss
ist, so zerbröckelt sie bei Regenfall schnell genug zu Staub und gebiert
nun den Weinstock, weil die Kohlensaure der Atmosphare mit aller Macht
vom Kali, Kalk und Magnesia, die im Feldspat stecken, absorbirt wird. Wir
ersehen nun ferner aus der Analyse der Weintraubenkerne, wieeine gewisse
Menge Schwefelsaure, Kieselsaure und Salzaeure ein spannendes Gegengewicht
zur Phosphorsàure bilden. Es liegt darin lediglich eine getreue
Wiederholung der auch im Huehnerei zwischen Eidotter und Eiweiss bestehenden
Spannung. Wir finden naemlich, dass das Eiweiss, wennschon in relativ kleiner
Menge, dennoch die gleichen erdigen Bestandtheile enthalt wie das Eigelb
namlich: phosphorsaures Kali, Natron, Kalk, Magnesia (und das uberall vorhandene
Eisenoxyd); ausserdem aber hat das Eiweiss noch mehr Bestandtheile; namentlich
enthalt es salzsaure und schwefelsaure Verbindungen, die im Eigelb ganzlich
mangeln; auch enthalt es geschmacklose Verbindungen von Kali, Natron, Kalk
und Magnesia an Zuckerstoff gebunden, nach Art des Gummi arabicum (vgl.
S. 35). Aus solchem Sachverhalt folgt, dass das Eigelb allmalig durch Absonderung
und Anhaufung der phosphorsauren Verbindungen aus dem Eiweiss zur Abscheidung
gelang", dass aber zwischen beiden gemeinschaftliche Beziehungen aufrecht
erhalten bleiben, durch die sie zwei, sich zu einem Ganzen completirende
Gegensatze bilden.
Wenn wir nun in gleicher Weise die Phosphate in Fruechten und Samen aufgehauft
finden, dagegen die Verbindungen von Kali, Natron, Kalk und Magnesia, (nach
Art des Eiweiss) an Zuckerstoff gebunden,unter der Form von Cellulose in
Stengeln und Blattern, sind dann nicht Stengel und Blatter als ausgebreitetes
E i w e i s s, die Fruechte aber als Eiblume oder Dotter in Anspruch zu
nehmen?
Und wenn sich
diese Verhaltnisse auch zwischen Knochengerust und Gehirnsubstanz, zwischen
Nervenfaden und Muskelfleisch wiederholen, ist dann nicht jecler Muskel
mit dem salzigen Inhalt seiner Blutröhren, seiner öligen Nervensubstanz
und den phosphathaltigen lymphgefaessen des Bindegewebes, in das er eingebettet
liegt, als ein verwandeltes Ei zu betrachten, in dem eine bestaendige Spannung
und ein Kampfen zwischen schwefelsauren und phosphorsauren Erden waltet?
Und
wenn solche eingeborene Spannkraft der Mineralstoffe durch das ganze Pflanzenreich
als allgemeines Gesetz geht, ist es dann zu verwundern, dass wir
die Spannkraft, die in vegetabilischem oder thierischem " Fleisch" steckt,
in unseren Leib verpflanzen können, der nur ein umgekehrter Pflanzenleib
ist? _ (Wir laufen namlich mittels der Verzweigungen
unseres Gehirn-Eies auf der Erde umher, waehrend die Kartoffelknolle mit
dem Gesicht in der Erde liegt und ihre Zweige nach oben streckt.) Und
dass wir die Seele der Gewachse in u n s e r e Seelemetamorphosiren?_
Wer jemals in Weinlandern eine anstrengende
Excursion unternahm und, halb verschmachtet, ein Glas landwein vorgesetzt
bekam, der vergisst es nicht, welches Behagen, welche Starkung solche Gottesgabe
bewirkt. Im Wein steckt phosphathaltiger Spannstoff. Im Wein steckt Geist.
Der Wein macht die Menschen liebenswurdig, freigebig, offenherzig, heiter
und witzig. (So so, aber was alles macht ihn unmaessig?)
Wie kann er das thun, wenn kein Geist in ihm enthalten ware? Im
Wein steckt der phosphorhaltige Felsen-Geist oder Stein-Geist.
Und die Weinbeere, aus der ein belaubter Weinstock hervor waechst lehrt
uns zugleich durch Analogie verstehn, wie ein beflugeltes Huhn aus dem
Ei hervorgehn kann. Es kommt daher, dass die schwefelsauren Erden in gewisser
Menge auf Schritt und Tritt die phosphorsauren Verbindungen begleiten,
deren Wesen und Begriff das Wachsthum, die Zusammenschaarung ist. 478
Solche
geordnete Zusammenschaarung der Phosphate in Verbindung mit öliger
Substanz, wie sie das Eigelb und das eiförmige, ölreiche Hanfkorn
gleichmassig in typischer Weise erkennen lassen, kann ohne die Gegenspannung
der schwefelsauren Verbindungen nicht stattfinden, weil einmal Phosphor-Schwefel-Cyan
von Anfang an als lebendiges Princip der Körperwelt zu Grunde liegt.
Ohne Schwefel als Gegenspannung streben die Phosphate in anarchischer
Auflösung nach willkuerlichen Richtungen auseinander, (Steine
mahlen ist aber auch eine Art auseinander streben, heben und aufleben nicht,
mein unabschaetzbare teurer Juwelius) wie der Hausschwamm zeigt,
der sich facherartig ausbreitet, und dessen Aschebestandteile fast nur
phosphorsaures kali aufweisen.
Und auch die salzsauren Verbindungen haben in kleinen Mengen Antheil an
der Hervorbringung einer bestimmten Form, weil die salzsauren Erden des
Meerwassers die elektrischer Beziehungen zwischen den Cyanverbindungen
ermittelten und ein solches Verhaltniss augenscheinlich weiter dauert,
wie uns das kochsalzhaltige thierische Blut, das kochsalzhaltige Huhner-Eiweiss,
und eine grosse Zahl salzsaeurehaltiger Pflanzensamen zu erkennen geben
(Mais, Rosskastanie, Eicheln, Buchweizen, Hanf, Erbsen, Wicken, Bohnen,
Linsen, Lupinen, Luzerne, Esparsette, Klee, Kartoffeln, Tabak, Hopfen).
Wie nun Mensch und Thier krank wird, wenn wir eine einseitige Ernaehrungsweise
stattfinden lassen, indem wir z. B. nichts als Leimgeben, so muss auch
ein pathologischer Zustand die Folge sein, wenn inder grundlegenden natuerliche
Spannung zwischen den Erden bestandtheilen einer Protoplasma-Art ein Missverhaeltniss
Platzgreift.
Ein solcher pathologischer Zustand, ein solches "Erkranken" zieht das schrittweise
Zugrunde gehen der alten Form nach sich, wahrend damit parallel gehend,
aus dem abgeanderten Verhaltniss der erdigen Spannstoffe, eine neue Protoplasma-Mischung
resultirt, die eine neue Form bedingt.
So
erklart es sich, dass urgezeugt, ohne Sporen, aus dem allgemeinen, sich
stets gleich bleibenden Trieblager der Cellulose phosphatreiche Pilze emporwachsen,
wie z. B. das Mutterkorn aus dem Getreide, wenn anhaltend feuchtes Wetter
herrscht; oder aber die phosphatreichen Wuermer und Insekten, bei anhaltender
Duerre.
Beides lasst
sich auf die Ausschaltung von spannendem schwefelsaurem Salz zuruckfuhren,
und zwar im Falle von Regenwetter durch Auswaschung, im Falle von Trockenheit
durchUnlöslichwerden, wobei der chemische Grundsatz zur Geltung kommt:"Corpora
non agunt nisi fluida". (Die Substanzen wirken auf einander
nicht ein, wenn sie nicht flussig sind).
Auf solchem Wegfall der Gegenspannung, die den phosphorsaurenVerbindungen
durch die schwefelsauren salze geleistet wird, beruht auch das Gedeihen
des Weinstock-Pilzes (Oïdium Tuckeri), der urgezeugt auf Rebackern
grassirt, wenn es lange hinter einander geregnet hat. 479
Der
Weinstocks-Pilz verschwindet, wenn man Schwefelpulver uberdie Pflanzungen
verstaubt. Die Erklarung hierfur liegt darin, dass sich feinzertheilter
Schwefel an feuchter Luft zu schwefliger Saure oxydirt, welche ihrerseits
durch das in den Gewachsen vermöge der chemischen Wirkung des
Lichts zur Abscheidung kommende Wasseroxyd (OHHO) in Schwefelsaure verwandelt
wird, womit alsdann die normale Gegenspannung
zu den Phosphaten wieder hergestellt wird, so dass die Pilze verschwinden
mussen. Denn den schwefelsauren Verbindungen gegenueber halt das Protoplasma
der Pilze nicht Stand.
Auch der Grindpilz verschwindet durch 'Waschen mit einer Lösung von
schwefelsaurer Magnesia und durch eine rationelle innerliche Glaubersalskur
(schwefelsaures Natron), ebenso die unter dem Namender "Flechten" bekannten
protoplasmatischen Verschiebungen eines anschwefelsauren Salzen verarmten
Lymphesaftes, dessen Veranderungenvon den Schul-Pathologen als Hautkrankheiten
abgehandelt werden, indem sie sagen, der Pilz sei die Ursache der Affektion,
wahrend er vielmehr die Folge ist.
Nach solcher "Diagnose"
wird man gegen Oïdium Tuckeri mit einerverduennten Lösung von
rohem Bittersalz (Kieserit), wovon das Kilo wenige Pfennig kostet, ungleich
wirksamer eingreifen können als durch Schwefelpulver, welches in der
Praxis viele hundert Mal theurer kommt, weil nicht aller Schwefel sich
oxydirt; wohl 90 Theile von 100 bleiben unausgenutzt und werden allmalig
mit dem Regen fortgeschwemmt. Wie ganz anders het man die Sache in der
Gewalt, wenn man mit der Giesskanne operirt, indem man dem Rebacker mit
einer vielleicht 1 procentigen Auflösung von rohem Bittersalz (Kieserit)
zu Hilfe kommt (1 Kilo pro Hektoliter Wasser). Hierbei geht nichts verloren
und die Wirkung ist eine sofortige.
Noch besser ist es, dem Pilz die Entstehung unmöglich zu machen,und
zwar dadurch, dass man dem Erdreich im Fruehjahr Gips (schwefelsauren Kalk)
beimengt. In solchem Falle ziehen die Traubenkerne ihren Bedarf an schwefelsaurer
Magnesia aus derZersetzung von Gips und dem Glimmer (d. i. kieselsaure
Magnesia) des Feldspats. Wenn sich aber der Pilz schon eingestellt het,
so kommt der Gips zu spat, weil er zu langsam wirkt, denn er bederf zu
seiner Auflösung 400 Theile Wasser, wahrend Bittersalz in 2 Theilen
Wasser auflöslich ist.
Noch schlimmer als der Weinstock-Pilz wuthet die Wurzellaus Phylloxera,
die ueberall da auftritt, wo durch Jahrhunderte hindurchbetriebene Weinkultur
die Rebacker an Kali verarmt sind, das in Gestalt von weinisaeurem Kali
des Traubensaftes vom Acker fortgeschleppt wurde, ohne dass man darauf
bedacht war, es in Gestalt von Feldsteinpulver wieder zu ersetzen. Das
erschöpfte Erdreich besteht zuletzt bloss noch aus Lehm (kieselsaurer
Kali-Magnesia Eisen Thonerde). Und bei solcher Abwesenheit von Kali verandert
sich das....................
332..................der
Sturme das Meer senkrecht an den Leuchtthurmen hinaufklettert. Indem Maasse,
wie solche Verdunstung stattfand, krystallisirten bei Stassfurt und anderwaerts
die verschiedenen Salze gesondert heraus.
Und
in der Abstufung, wie sich die chemische Beschaffenheit der Salzlösung
veranderte, gab es fortwahrend neue Arten von Protoplasma,denen sammtlich
Leucin oder, was damit gleichbedeutend ist, Proteïn, zur Grundlage
diepte, denn die einfache Rechnun" ergibt, dass das Proteïn, welches
mit mehr oder weniger Schwefel und Phosphor stets von gleicherchemischer
Zusammensetzung in Pflanzen und Thieren angetroffen wird,und sausend Verwandlungen
erleidet, in der That mit Leucin identisch ist.
Dafern schwefelsaures Kali, welches nach 2 Seiten bindende Kraftentfaltet,
an jeder Seite 6 Leucin an sich nahm, so ergab sich ein Kali-Proteïn.
(S. die Figur "Kali-Proteïn".)
K2O, S03; 6 (C6 H13 NO2) minus 6H2O = C36 H66
N6 O9 S, K2O.
In dieser Verbindung het man auf 710 Gewichtstheile ohne das Kalicirca
54% Kohlenstoff, 9% Wasserstoff, 11% Stickstoff, 2%Sauerstoff und 4% Schwefel,
folglich Mulders "Proteïn".
Wenn eine Auflösung von solchem schwefelsauren Kali- Leucinphosphorsauren
Kalk beruehrte, so verwandelte sie sich zum Theil in Gips (schwefelsauren
Kalk) und phosphorsaures Kali-Leucin, und damit begann nun in der Urzeit
das zauberisch schnelle Wachsen aller Gestalten, sowohl der Baume,
wie der Thierkörper.
Heute entsteht das Proteïn der Baume enorm langsam und auf ganz anderem
Wege. Das Wasser muss in die Erde eindringen und sich wieder verlaufen;
alsdann steigt etwas atmospharische Luft in die Erde hinab, umden Raum
auszufullen, den das Wasser verlassen hat, und nun werden die kohlensauren
Erden mit schwefelsaurem Ealk und Wasser, nach Abtrennung von Sauerstoff
unter der Form von Wassestoffsuperoxyd, und nach Addition von Stickstoff
in schwefelsaures Kalk-Leucin oder Ealk-Proteïn metamorphosirt.
Die Asche der Waldbaume ist gleichbedeutend mit stickstofffreiemund wasserfreiem
Protoplasma. Es bederf nur des Zutritts von Wasser, Luft und Sonnenwarme,
um aus solcher Asche neues Wachsthumhervorgehn zu sehn. Darauf beruht
die Anwendung der Holzasche als Dungstoff. Wenn man ueber die Aecker
Holzasche ausstreut, in welchersich ja kohlensaures, schwefelsaures und
phosphorsaures kali, Natron,Kalk und Magnesia in dem natuerlichen Verhaltniss
beisammen finden, wie es zur Proteïnbildung schon einmal gedient het,
so ist es gerade so gut alsob man Kleesamen gesaet hatte, dafern der Boden
locker ist! denn wenn keine Luft hinein kann, weil es Felsenboden ist,
oder wenn das Wasser nicht abfliessen kann, wie im reinen Thonboden, so
kommt kein Klee zu Tage, auch wenn man Klee gesaet hat.
Diese Thatsachen sind dem praktischen Landmanngenuegend bekannt, namentlich
auch die Nothwendigkeit von Gips und kohlesaurem Kalk (Mergel), um Klee
zu gewinnen. Das wusste schon vor 100 Jahren Johann Christian Schubart,
Edler von Kleefeld, der einmal den Bauern, die seine Theorien verlachten,
einen schriftlichen Denkzettel ertheilte, indem er auf einen Acker Gyps
streuen liess, aber nur soviel, dass dadurch die Schriftzuege gebildet
wurde: "HIER IST GEGYPST". Als dann das Wachsthum
begann, ueberragte diebetreffende Stelle in sehr leserlicher Weise alles
Uebrige und die Bauern erlebten nun ihren Tag von Damascus.
Ja! -- Dass ein schwefelsaures
Salz nothwendig ist, um noch mehr von der Proteïn-Art hervorzubringen,,
die der Klee zum Wachsthum haben muss, das weiss man; aber dass der Klee
aus Protëïn-Asche entsteht, ohne gesaet zu sein, dieses auszusprechen
erscheint so ueber alle Masssen ketzerisch, dass so leicht Niemand eine
derartige Metamorphose der Holzasche einraumen wird. Es macht wirklich
Vergnuegen zu lesen, wie man sich förmlich verrenkt, um nur nicht
sagen muessen: "Beim Himmel! Der Klee wachst auch ohne Samen"._ In Nr.
8 des Wochenblatts des landwirthschaftlichen Vereins Grossherzogthum Baden
(Karlsruhe, 25. Februar 1885) befindet sich ein Leitartikel von Dr. J.
Nessler, "Ueber Duengung der Wiesen mit kuenstlichem Duenger", der folgendermasssen
beginnt:_"Es ist eine heute fast jedem Landwirthe
bekannte Thatsache, dass die Wiesen ganz allgemein bedeutend besser werden,
sobald man Holzasche ausstreut. Da, wo man vorherkeinen oder nur wenig
Klee beobachtete, treten nach der Asche duengung viele und kraftige Kleepflanzen
auf. Es ist klar, dass aus Holzasche kein Klee e n t s t e h t, sondern
kleine Kleepflanzen waren vorhanden welche sich aus Mangel an der richtigen
Nahrung nicht kraeftig entwickeln konnten. Holzasche liefert diese "Nahrung,
und deshalb können die Kleepflanzchen in Folge deren Anwendung kraftig
werden."
Hiermit haben wir
nun die Urzeugung in aller Form constatirt und zwar in dem Sinne, wie ich
es als "Begriff der Urzeugung" habe feststellen wollen. Wir haben
es nicht in der Gewalt, aus steinigem Material eine bestimmte Form hervorzubringen,
sondern muessen zufrieden sein mit dem, was herauskommt, wenn Elektricitats-
und Feuchtigkeitsgehalt der Luft nebst Warme in verschiedenem Grade zu
verschiedenen Jahreszeiten in Beziehung treten zu erdigem Material. Aus
der Holzasche von Kiefern oder Buchen kommt zunachst nie wieder eine Buche
heraus, sondern mancherlei Grasarten und Krau u. a. auch Klee. Wollen wir
bestimmte Formen haben, so muessen wir deren Samen ausstreuen: Diese nehmen
als dann solche Stoffe zu sich, welche geeignet sind, die Form zu erzeugen,
von der die Samen herstemmen.
Wenn wir
aber uberhaupt kohlensaure Erden, Kieselerde, Tonerde, Sulfate und Phosphate
ausstreuen, so ist es gleichbedeutend damit, als ob wir Holzasche gestreut
hàtten. Es wird dann aus Kohlensaure, Wasser und atmosphaerischem
Stickstoff "Proteïn" erzeugt.
Was aber den Begriff des Proteïn oder Protoplasma (erster organischer
Bildungsstoff) anlangt, so muss derselbe in gleicher Weise wie der Eiweissbegriff
unter erweiterten Gesichtspunkt gebracht werden. Und zwar haben wir als
Frucht unserer Studien nunmehr das Erforderliche beisammen, um die Natur
aller organischen Materie auf Sonnensubstanz zuruckzufuehren.
XX. Verschiedenheit der Proteïn-Mischungen.
Je nachdem die verschiedenen Zonen der Sonne die
Stoffe liefern,gibt es verschiedene Arten von Proteïn; vor Allem haben
wir e r di gesund gasförmiges Proteïn zu berucksichtigen. Unter
gasförmigem versteheich wirkliches Gas oder Geist, aber mit etwas
Sauerstoff verbunden , d erdie fluechtigen Duenste schwerwiegend macht
und ihre Beweglichkeit und ihr Ausdehnungsbestreben soweit herabsetzt,
dass sie als Materie fuehlbar und sichtbar werden. Diese Anschauung ueber
das geistige Wesen wird uns Nutzen teringen, wenn wir von der Seele als
etwas Körperlichem sprechen werden, zum Unterschiede von dem Bewusstsein
nebst der Denkkraft, die nur einen Zustand oder eine Eigenschaft und damit
etwas Unkörperliches bedeuten.
Sprechen
wir nun zuerst von dem gasförmigen oder geistigen Protëïn,
oder, wie ich allen Grund habe zu sagen, von dem Sonnenduft-Proteïn.
Sonnenduft-Proteïn.
Die Sonnen-Atmosphare ist intensiv mit Cyan, C6N6,
beladen, unddieses Gas het den charakteristischen Bittermandelduft.
Auch dort, wo das Cyan in den Weltwasserstoff hinausgreift, und woes sich
mit demselben zu Cyanwasserstoff oder Blausaure, C6N6H6, verdichtet, duftet
es nach Bittermandeln, denn Blausaure entwickelt denselben Geruch wie das
Cyan.
Aber von
da ab, wo der schwerere Stickstoff (N= 14) nach dem Sonnenkern zuruckstrebt,
wahrend der leichtere Kohlenstoff (C = 1:2)nach dem Weltwasserstoff gerichte"
ist, muessen die Kohlenwasserstoffdufte CHH die Herrschaft haben.
An
der alleraussersten Grenze der Sonnen-Atmosphare duftet es unfehlbar nach
Rosenölstearopten, C16 H32. Aber dazwischen gibt es die verschiedensten
Abstufungen.
335 Lavendelduft, 3 (C10H16); Myrthenduft,
C20H32; Lebensbaum C10HI6; Thymian, C10HI2.
Lavendel, Myrth' und Thymian, Das waechst im
Sonnengarten.
Am feinsten und lieblichsten duftet es,
wo sich der Myrthen kranz der Sonne, C20 H32 = 2 (C10H16) in einen Rosenbusch
C16H32 = 2(C8H'6) metamorphosirt, indem sich der Sonnenduft mit dem Himmelswasserstoff
vermaehlt.
"Myrthen
und Rosen am Sonnenrand!" Lasst das nur keine Professor der Physik hören!
Mit dem Fernrohr ist dieser Duft nicht zu sehen. Aber die Erde ist doch
wirklich ein Kind der Sonne, und wie kaemen wir denn zu Rosen und Myrthen,
wenn sie nicht bereil als "Sonnenblumen" existirten?_ Schon Shakespeare
sagte: "Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, von denen unsere Schulweisheit
sich nichtstraumen lasst"._
Je weiter
hin zum Sonnenkern, desto strenger werden die Duefte.
Jenseits des Rosen- und Lavendelduftes beginnt der Zwiebelduft, C6Hs. Alsdann
folgt der strengsuesse Honigduft, nach Anilinc C6H7 N. Demnachst Bittermandeln,
C6H6N6.
Und nun ist es mit dem Wohlgeruch vorbei. In den Marcipan- oder Bittermandelduft
mischt sich allmalig der widerlich suesse Chloroformgeruch des Kohlenstoffchlorid,
CCl4, der saure Geruch des Phosphorchlorid, PCl3, der Geruch nach faulen
Fischen, PH3, und nach faulen Eiern. CS2 und SH2.
Um kurz zu sein, so haben wir in der duftenden Sonnen-Atmungsphare leibhaftiges
thierisches Protoplasma vor uns.
Zunachst
findet sich das weit in den Himmelsaether hinausvibrierende Rosenölstearopten,
C16H32, in oxydirter Form als Palmitinsaeure, C16H32O2, nachgewiesenermassen
in unserer Gehirnsubstanz die, ganz nach Art der Sonne, ihre Verzweigungen
in Gestalt von Gehirn- und Ruckenmarksnerven weit hinaussendet.
Je
tiefer wir aber in unsere Eingeweide hinabgehn, desto uebler wird der Duft
nach faulen Fischen (Phosphinamin) und faulen Eiern (Schwefelwasserstoff).
Ganz wie bef der Sonnenatmosphare.
Zwischen den Nervenspitzen
der Haut und dem Darm befindet sich Muskelfleisch, welches auf Fettstoff
und harnsaurem Ammoniak beruht, und da die Harnsaeure auf Cyanwasserstoffsaure
begruendet ist, die nach Bittermandeln duftet und die auch in der Sonnenatmosphare
existirt; und da unsere Sehnensubstanz auch Schwefeltheile enthalt, so
ist es nur zu klar, dass unser Leib condensirtes Sonnenduft-Protein darstellt.
Aber man könnte fragen, wie geht es zu, wenn
unser Nervenöl auf Rosenduftsaure (Palmitinsaure) und suessem Glycerin
begrundet ist, dass wir nicht auf lauter Rosen wandeln und nur Zucker und
Honig
geniessen wie die Schmetterlinge?_...................
.....................340
Protein
der Baumrinden zu einer eigenthumlichen Art Laub, dessen grubige Vertiefungen
mit den Lungenalveolen Aehnlichkeit haben und deshalb zu dem Namen "Lungenmoos"
Veranlassung gaben. Andiesem Heilmittel, obgleich es ebenfalls "wissenschaftlich"
ausgemerzt ist,halt das Volk noch immer beharrlich fest; es wirkt nervenstarkend
undersetzt das Hirnschaedelmoos.
Trompetenmoos, ()enomyce pyxidata, mit zoll-langen, tuba-aehnlichen Bechern,
die mit rothen Schluesselchen wie Blumen garnirt sind, wachst aus dem phosphorsauren
Magnesia-Protëïn der abgefallenen Tannennadeln heraus.
Wurmmoos, Helmintochorton,
wachst im mittellandischen Meer aufphosphathaltigem Granit. Diese Alge
enthalt phosphorsaures Natron.
Renthiermoos, Getraria islandica,
wachst auf islandischem undnorwegischem, wie auch auf deutschem Gebirgs-Waldboden(Riesengebirge,
Harz, Thbringer Wald). Die Bedingung zu seiner Formgebung ist kuehle Temperatur.
Es geht auch oftmals aus dem Proteïn der abgefallenen Tannennadeln
hervor und enthalt alle zum thierischen Protoplasma erforderlichen Aschenbestandtheile,
vor allemphosphorsaure Ammoniak-Magnesia, Kali und Kalkerde. Und zwar stehen
Magnesia-, Kali- und Kalkgehalt in dem Verhaltniss von 6: 6: 26. Da in
den menschlichen Knochen, ebenso in den Rinderknochen das Verhaltniss von
Magnesia zur Kalkerde wie 6: 300 steht, und Kali darin ganzlich mangelt,
so erklart sich aus der Nahrung des Renthiers dessen feinerer, biegsamerer
Knochenbau. Die Renthierknochen sind so weich, dass ich sie nach dem Auskochen
mit einem gewöhnlichen Messer schneiden konnte. Dass das Renthiergeweih
die gezackte Form des islandischen Mooses wiederholt, steht im Zusammenhang
mit seiner Nahrung. Unsere Hirsche wiederholen mit ihrem Geweih die Zweigform
der jungenBaumtriebe, von denen sie sich ernahren, wahrend das kleinere
Reh sich auf Straucher einschrankt und strauchahnliche Geweih Formen hervorbringt.
Es ist eben nichts von ungefahr.
Im Gegensatz zu den Hirschen haben die, auf Kalk- und Dolomit Alpen urgezeugten
Wiederkauer ein hohles Geweih. Bei der grossen Uebereinstimmung in allen
Elauptpunkten, sollte man glauben, dass die Kalber der Kiihe und Ziegen,
sowie die Lammer, den Hirschtypus annehmen können, wenn man sie von
Hirschkuhen und Rehen saugen lasst und ihnen beharrlich islandisch Moos,
Buchen- und Eichenlaub, junge Tannenzweige, Birkenknospen, Strauch- und
Baumrinden neben Heidekraut und Gras systematisch zur Nahrung gibt. Wird
nicht auch bef der Pferdezucht die eigentliche "Rasse" durch die Fuetterung
erzielt?_In der That fiel mir auf einem Viehmarkt in Christiania eine kleine
Gattung Kuhe ohne Hörner in die Augen, die mit Hirschkuehen eine auffallende
Aehnlichkeit hatten. Die norwegischen Kuehe weiden eben auf Granitgebirgen,
also dass nicht blos der Mensch ist, was er isst.
_ 341 Kuh, Ziege
und Schaf gedeihen auf sonniger Alp; das Reh und der Hirsch im Schatten
des Waldes.
Rindviehherden und Wiesenland (aus
dem Geröll der Gebirg hervorgegangen), gehören so zusammen wie
derschattige Wald m Hirschen und Rehen, wie die trocknen, sandigen Steppen
Arabien Persiens, der Mongolei, Tatarei und Berberei mit den Pferden. Die
Pferde sind eben auf kieselsaurereiches Protein angewiesen. Die Kuh liebt
das Wiesengras, der Hirsch die Baumrinden und Baum-zweige, das Pferd kieselsaurereichen
Hafer und Hacksel.
Die Asche der Haferkörner enthalt die Haelfte mehr Kieselsaeure, als
die der Roggenkörner, und fast dreimal soviel Natron, auch mehr Chlornatrium
als der Roggensamen. Das Pferd, welches den Hafer liebt, entstand in einer
mit kieselsaurem Natron und Kochsalz getrankten Ebene.
Duerfen
wir uns uber Rinderpest, Milzbrand, Lungenseuche und Rotzverwundern, wenn
wir unseren Hausthieren die gebuehrende Futte art, die frische Luft des
Waldes, der Wiese, der Steppe vorenthalten Wenn wir ihnen verkehrtes Protëïn
als Nahrung reichen?
Es bleibt nur noch zu sagen, dass ueberhaupt kein Pflanzensamen gefunden
wird, der nicht Phosphorsaure, entweder an Kalkerde oder Magnesia oder
Kali gebunden enthielte. Daraus muessen wir schliessen dass die phosphorsauren
Erden als eine wesentliche Bedingung zu fruchttragendem Wachsthum anzusprechen
sind, und dass wir vor allen Dingen an Phosphaten nicht fehlen lassen duerfen,
wenn wir ein reiches Gewachsleben sich entfalten sehn wollen; aber freilich
bleibt ein solches Wachsthum nach dem Muster des biblischen Manna ein duerftiges,
wenn es auf den Kohlensaure-Gehalt der Luft angewiesen bleibt und die uebrigen
zum Protoplasma nöthigen Erdenstoffe, einschliesslich des Schwefels,
aus dem Ackerfeld aufgezehrt sind.
Wollen wir ein uppigeres
Pflanzenleben spriessen sehn, so muessen wir fur ein concentrirtes Eohlensaure
- Material in Gestalt von kohlensaurem Kalk nebst Magnesia Sorge tragen,
denn die Kohlensaeure ist es, ausder, in Verbindung mit Wasser und Sonnenschein
Zuckerstoff und Oelstoff hervorgeht; und Zucker und Oel geben mit dem Stickstoff
der Luft Leucin, welches in Verbindung mit schwefelsauren und phosphorsauren
Erden Blutsubstanz, Fleischsubstanz, Gehirnsubstanz und Eisubstanz erzeugt.
Es kommt nur darauf an,
dass wir dem Regen und Sonnenschein die geeigneten Mineralien darbieten,
damit wir die Tage des Paradie sich erneuen sehen, und Zucker und Oel,
Milch und Mehl, Brot Fleisch die Huelle und Fuelle haben. Mangelt es an
Regen, so muessen wir bewaessern. Ist aber zuviel Regen, so entarten unsere
Gewaechsen indem ihre Gewebstheile zu Pilzformen Entstehung geben.
Gegen solche Nachtheile,
die die Ungunst des Himmels bedingt können wir leider nichts thun.
Wohl aber können wir, wenn die ............404............
und wenn dann die naturlichen Folgen eintreten, so sag,en wir, es sei eine
Schande, sich verfuhren zu lassen. Das bekommt so ein armes Ding neun Monate
lang zu hören, und jedes Mal gebt es ihm durch Mark und Bein. Es will
durchaus keinen Mord begehen, es will nur die Schande nicht. Nachher gekit
alles Blut immer nur pech der einen Stelle: "die Schande! die Schande!"
Und die freie Willensbestimmung ist gelahmt. _Wer gehört denn da nun
eigentlich auf die Anklagebank, das arme Opfer, oder wir, die wir die Unnatur
begehn, zu sagen, dass es eine Schande sei, wenn ein Madchen ein Kind bekomme?_
Wenn wir Alle fur
die Schuldigen einstehen und uns, statt anklagend,vielmehr t r ö
s t e n d der treulos Verlassenen annehmen, dann wird von Kindesmord
keine Rede mehr sein.
Fruchtabtreibung._Ich glaube, wir haben diese in Amerika und Frankreich
immer meier um sich greifende Versundigung wider die Natur daraus zu erklaren,
dass man es fur zu kostspielig erachtet, Rinder gross zu ziehn und dass
man sich aus solchem Irrthum um die lieblichsten Freuden bringt, junge
Menschenknospen sich entfalten und gedeihen zu sehn. Auch das eingebildete
Mitleid mit der Noth des Lebens, dem eine zukunftige Generation entgegen
geht, mag sein Theil daran haben. Wenn wir nun aber zur Erkenntniss kommen
werden, dass wir bisher die Schaetze Indiens unter die Fusse traten, dass
es blos nöthig ist, die Kreide und den Gyps von der einen Stelle mit
dem Feldspat von der anderen zu vermischen, um Nahrung die Fillle zu haben;
wenn
wir dann weiter die gegenwartige unfruchtbare Schulerziehung praktisch
reformiren und abkurzen; wenn nicht Alles Handel treiben, nicht Alles Doctor
heissen will, sondern die Mehrzahl sich dem Landbau zuwendet;
wenn wir in solcher Weise schon als Kinder durch spielende Thatigkeit erwerbefaehig
werden; wenn wir an den allnahrenden Busen der Mutter Natur zurueckkehren,nachdem
wir der falschen Lehre von der beschrankten Ernaehrungskraft der Erde den
Abschied gegeben haben, und wenn die unnaturlichen Schranken beseitigt
sind, welche der zeitig en Begruendung eineseigenen Hausstandes entgegenstehn:
was wird dann die Folge sein?_
Die naturliche Sehnsucht
des Juenglings, eine Ergaenzung seines Wesens zu besitzen, und die natlirliche
Sehnsucht der Jungfrau, Mutter zu-werden, bleiben nicht meier an der rechtzeitigen
Erfullung gehindert. Von da ab werden die vielen unschönen Formen,
die uns heute in den sogenannten Kulturstaaten an Menschenkörpern
auffallen, meier und mehr zuruecktreten, nachdem die naturgemassen Bedingungen
wieder hergestellt sind, die das Ebenmasss zu Stande bringen. Zu diesen
Bedingungen gehört auch eine prompte Paarung, nachdem festgestellt
ist, dass Missgeburten entstehen, wenn die Paarung verspaetet erfolgt,
weil insolchem Falle die elektrische Spannung und Vibration des Protoplasma
auf ein kraftloses, verglimmendes Zucken herabgesunken ist. Dass aber wirklich
die schönen Körperformen mit prompter 405
Paarung
zusammenhangen, ceteris paribus, das wird wenigstens durch die fruehzeitig
heiratenden Araber nicht widerlegt.
Ruechkehr
an den Busen der Natur!_Dann werden die weiblichenFratzen verschwinden,
die jetzt in den Modehandlungen das verruckteste, geschmackloseste und
theuerste Hut-Modell mit gierigen Augenverschlingen, die Wirthschaft verkostspieligen
und ihren Kindern das Dasein missgönnen.
Selbstmord. _ Jede Handlung, die wir begehen, setzt vorbereitende,darauf
gerichtete Gedanken voraus; aber Gedanken sind Schvvingungender Gehirnfasern,
die durch andere Schwingungen beschwichtigt werdenkönnen, und zwar
sind es unter allen Umstanden die Gegenstande, mitdenen wir uns beschaftigen,
die uns auf bestimmte Gedanken teringen. Wir werden also Selbstmord - Gedanken
durch Beschaftigung mit anderen Gegenstanden abzulenken im Stande sein.
Schon blosses
Inbewegungsetzen des Körpers zu dem Zweck, seine Angelegenheiten zu
ordner, könnte Manchen, der aus der Welt scheiden will, auf andere
Gedanken teringen. Die Aufraeumung des Buecherschranks, die Beseitigung
von Scripturen, die auflodernde Flamme, wenn die Briefe verbrennen, die
dabei stattfindende revidirende Lektuere, das sind ebensoviel ablenkende
Heilmittel. Ebenso wirkt jede körperlicheThatigkeit, indem sie die
Blutcirkulation von dem grubelnden Gehirn nachder Lunge und Leber hinzieht,
etwa das Spalten einer Partie Holz oder das umstellen der Möbel nach
einer anderen Ordnung, heilsam gegen Selbstmordgedanken. Vor allem ist
jede Art lohnender produktiverThatigkeit wegen der damit verbundenen Freude
am Schaffen ein sicherer Schutz gegen Selbstvernichtung, denn Freude am
Schaffen ist gleichwerthig mit Freude am Dasein, und Freude am Dasein deckt
sich mit Selbsterhaltung.
Die Statistik
belehrt uns daruber, dass die erschwerte Gewinnung des Lebensunterhalts
am haeufigsten den Selbstmord veranlasst und dass er inden grossen Stadten
eine unvergleichlich höhere Procentziffer als auf dem platten Lande
bedingt. Dies spricht ebenfalls zu Gunsten des Landbaus, um Selbstmord
zu verhueten.
D
u e l l. Trotz zahlreicher Bestrebungen von Seiten solcher, die Kopfund
Herz auf dem rechten Fleck haben, konnten wir bisher noch immernicht loskommen
von dem Wahn, dass es ritterlich sei, wegen angeblicheroder wirklicher
Beleidigung, mit kaltem Blute, in Gegenwart von geduldigzuschauenden Zeugen,
einer Frau den Gatten, einer Mutter den Sohn, einer Schwester den Bruder,
einem Madchen den Geliebten, mit einem ausgewahlten Mordwerkzeug aus der
Welt zu schaffen. Dass Zorn und Leidenschaft einen Menschen dahin teringen
können, seinen böswilligen Widersacher zu zuchtigen, kann ich
wohl verstehn; aber darf man den Anspruch gutheissen, dass es ehrenvoller
sei, die Sache mit Ueberlegung und kaltem Blute zum Austrag zu
406 bringen, als im Moment der leidenschaftlichen Erregung?_Weil
die Bauernknechte zum Holz vom Fichtenstamme greifen, wo die natuerliche
Kraft der Fauste nicht ausreicht, um das Schuldconto gebuhrend zubegleichen,
so soll es im Gegensatz zu iLnen ritterlich sein, mit Degenund Pistole
zu arbeiten. O, das Menschenthum ist schwer krank.
Krieg. Es gibt im praktischen Leben so vielerlei Arten vonKrieg im
Kleinen, dass dies völlig ausreicht, uns vor Versumpfung und~ ersimpelung
zu schutzen, ohne dass hierzu eine gegenseitige Bekriegung ganzer Völkerschaften
erforderlich ware. Wir haben genugErieg mit den Elementen und mit der Noth
des Lebens, sowie gegendie Leidenschaften zu fàhren. Wozu da noch
Völkerkriege?_Nunwenigstens Europa derf troffen, dass die Völkerkriege
endlich aufhören.Dahin musste es ja endlich kommen, nachdem das Kriegswesen
so.affinirt geworden, dass es bis an die naturgemasse Grenze gelangt ist,wo
es zerspalten muss und andere Aequivalente erzeugt. Wie die Ritterehre
Erzruestungen bei Seite legten, als diese so schwer geworden waren, dass
Schlachtross und Reiter sie nicht meier zu schleppen vermochten; wie Moorgarten
und Sempach den Beweis lieferten, dass schwere Ruestungen nicht den Sieg
gewaehrleisten: so werden wir unsere Schusswaffen von uns thun, nachdem
noch einmal ein letzter grosser Vernichtungskrieg gewuthet haben wird.
Das Vernichtende wird aus dem Umstand folgen, dass soviele Kampfer auf
einem beschrankten Raeume einander gegenueberstehen, dass keine Möglichkeit
bleibt, ihnen soviel Brot zuzufuehren, wie sie taglich beduerfen, und den
Unrath zu beseitigen, den sie taglich produciren. Wenn dann, statt der
Schusswaffen, Hunger, Fieber und Pestilenz die Riesenheere decimirten,
so werden die Uebriggebliebenen todesmatt Frieden schliessen und zum Nachdenken
kommen. Alsdann ist die Zeit gekommen fitir einen Krieg, der nicht verzehrend,
sondern ernahrend wirkt, fitir einen Krieg, der nicht tödtet, sondern
Leben schafft. Das ist der Krieg gegen die Felsen, die wir mit Dynamit
sprengen, um ihre Brocken zu Pulver zu mahlen, welches wir uber Wiesen
und Felder ausstreuen, damit es sich mit Regen, Luft und Sonnenschein zu
Korn und Oel und Obst und Wein verwandle. Wo es aber an Regen mangelt,
da gibt es fuer Pioniere und Ingenieure zu thun, die uns durch hydraulischen
Druck selbst aus entlegenen Bezirken Wasser herbeischaffen. O,
wenn ich König ware, ich wartete nicht, bis mein Volk verarmt und
meine Soldaten aufgerieben waren. Ich fuehrte mein Heer sofort in den Krieg
gegen die Felsen. Es muesste mir 3 Jahre dienen mit der allgemeinen
Landeswaffe, namlich mit dem Spaten, der fruchtbare Aecker schafft. Und
kamen dazwischen Feinde in's Land, um mein Volk in seiner Arbeit zu stören,
so wurde ich commandiren: Jedermann sei Soldat! Jedermann greife zur Landeswaffe,
zum Spaten, und schlage damit die Feinde todt! _Da ich aber kein König
bin, so kann ich das hereinbrechende Unheil nicht abwenden, sondern kann
nur die steigerde 407 Fiebertemperatur beobachten,
die zur Katastrophe fuehren muss, wenn nicht baldigst der Wehrstand
zum Naehrstand umgeformt wird.
"Krieg gegen die Felsen!" _ Das ist ein brotgebender Krieg. Da Karl XII.
im Oktober 1717 zum zweiten Mal nach Norwegen ging, zog er es vor, wie
Voltaire sagt, Felsen zu erobern, statt seine deutschen Provinzen aus den
Handen seiner Feinde zurueckzugewinnen."Felsen zu erobern"; hatte er es
doch gethan! Unsterblicher Lorbeer waere sein Theil gewesen. Ist kelner
unter den Fuersten, der diesen köstlichsten Lorbeer erringen will?
O doch!__Im Osten sein'ich Fruhlicht glanzen." Ein neues Morgenroth steigt
auf! _
XXII.Unsere Krankheiten und unsere
Heilmittel.
Arzt: Krank nicht so als durch schwere Phantasien
In ihrer Ruh gestört.
Macbeth Heil sie davon! Kannst du nicht Arzt sein
fuer ein krank Gemueth?_(6. Act, 5. Scene).
Durch schwere Phantasien in ihrer Ruh gestört!~ Das ist die am weitesten
verbreitete Krankheit, an der die Meuschen leiden.
""Eeil' sie davon!"" Wer kann sie heilen ? _ Wer
liefert Balsam fuer ein krank Gemueth ?
Als Kind habe ich ein Marchen gelegen, in welchem ein Juengling die Aufgabe
erhalt, die hundert Aeste eines Baumes abzuschlagen; aber es rnht ein böser
Zauber ueber dem Baum. Der Zauber besteht darin, dass nach jedem Beilhieb,
den man gegen einen Ast fuehrt, nicht etwa der Ast zu Boden faellt, sondern
zwei neue Aeste aus ihm heraus wachsen.
Nachdem der Knabe arglos an's Werk gegangen und
nach drei verschiedenen Aesten drei Hiebe gethan, jedesmal mit dem gleichen
Erfolg, verlor er den Muth und schlug nicht weiter darauf los. Waehrend
er nun mit verschrankten Armen abwechselnd den Baum und das seinen Handen
entsunkene Beil betrachtet, kommt eine gute Fee gegangen; die bleitt vor
ihm stehen und fragt ihn: "Worueber bist du so nachdenklich?"_"Ach," sagt
der Knabe, "ich soll von diesem Baum die Aeste herunterschlagen; aber so
oft ich mit diesem Beil nach einem Ast haue, wacheen daraus zwei neue Aeste
hervor. Jetst weiss ich nicht, liegt es an dem Baum oder habe ich ein so
schlechtes Beil?"_"Es liegt nicht an deinem Beil," sagte die Fee, ""es
liegt an dir;.........................
zufaelliger
Ausschnitt; das heisst,
die seite
bevor das Seelendiaet:
....................Kreis
bestimmt und im Durchschnitt nur fur ihren eigenen Tragweite ausreichend.
Ihre Segnung kann sich fur gewöhnlich nicht weiter erstrecken, als
der Klang unserer Stimme reicht. Darum entfaltet sich die Wirkung einer
harmonischen Seele voll und ganz nur im Frieden des Hauses, im Schooss
der Familie und im naturlichen Kleid, fern von dem Hader und Wettstreit
der Selbstsucht, fern von dem Spott und Hohn und der Verfuhrung der bö9en
Eerzen, fern der Verstellung und trugerischen Aussenseite, fern von der
Larm und Getöse der unsinnigen Genusssucht, fern von den hohlen Posaunenstössen
eitlen Weltruhms, fern von den umstriekenden fixen Ideen des politischen,
religiösen und wissenschaftlichen Fanatismus und fern von dem Mode-Wahnsinn.
der 90 unfehlbar die hausliche Gluckseligkeit untergrabt, unser tiefstes
Mitleid herausfordernd mit den geistig venwahrlosten Geschöpfen, die
durch ausseren Prunk die innere Hohlheit zu bemanteln streben, ohne gewahr
zu werden, dass sie sich damit nur ein kenntlich machenden Brandmal aufdrucken.
Wir können eben naturgemass
nicht anders wahrhaft glucklich sein, als daheim mit Weib und Kind. Darum
soll die Jungfrau wenn sie glucklich werden will, keinen Gefahrten nehmen,
ohne dass sie sich mit klaren Sinnen kraft des seelischen Lichtes als seine
geistig ebenburtige Freundin verspurt; und der Jungling soll seine Gefahrtin
nicht beim Lampenlicht waehlen, sondern im hellen Tagesschein, wo sich
erkennen lasst, ob in den Augensternen Wahrheit und Gerechtigkeit ihren
Wohnsitz haben als die Grundlagen einer harmonisch gestimmten Seele.
Denn, um es noch einmal zu sagen: Unsere Seele ist nur eine kleine Summe
von Kraft, die auf Erganzung und anschmiegung an den gegensàtzlichen
Theil nothwendig bedacht sein muss.
Als ein Atom von dem Licht der Welt ist unser seelisches Licht ein schwacher
Bruchtheil von chemisch umgewandelter Sonnenkraft, wie sie von den Griechen
als Phöbus Apollo symbolisirt ward. Die Sonne aber an ihrem Theil
ist wieder nur ein Ausfluss der unerschöpflichen Gotteskraft, die
sich beurkundet an dem Lauf der unzahlbaren Gestirne, die ebensoviele Sonnensysteme
bedeuten. Und damit ist das Glucklichsein zu einer ganz leichten Sache
geworden. Denn wenn dazu gehört, dass unsere Seele' sich in Harmonie
befinde mit ihrem erganzenden Gegensatz, so muss der blosse Einblick auf
die- gesammte Natur als heilender Balsam wirken fur jede Art von irdischen
Wunden, die unserer Seele geschlagen werden können. Wir haben es in
unserer Macht, durch einen Blick nach den Gestirnen mit dem Univerum zu
verbinden, so oft wir Beschwichtigung, Tröstung und ..?.. benothigen.
Es liegt darin das kurzeste von allen Gebeten ebon 'weil die Gestirne die
unermessliche Kraft der Gottheit bekunden und in diesem Sinne das Universum
eine allgemeine Kirche ist, die keine Sektirer kennt.
Wer da begehrt, aus dem lauteren Born der Glueckseligkeit zu trinken, der
hat es nicht weit, denn er fliesst ebenda, wo die Wahrheit und Gerechtigkeit
ihre Quellen haben. Es ist unmittelbar bei der Brucke, die von dem Ufer
der sinnlichen Begierden zu dem heiteren Strande der Selbstbeherrschung
hinuberfiihrt und die den Namen tragt: Religiositat. Die Stelle ist fur
jedermann durch ein aufgepflanztes Banner gekennzeiclmet, in dessen Feld
auf lichtem Grund der goldene Spruch geschrieben steht:
Was du nicht willst dass
dir geschieht, Das thu' auch Andern nicht
Seelendiaet.
Wer seinen Wunsch auf das, was genuegt, beschraenkt —
Kein Meeresbrausen gibt es" das ihn bedrangt"
Kein Sturmeswuethen, wenn sich ferne
Senkt oder hebt ein Gebild der Sterne.
' ' Horaz. -
Wohl dem, selig muss ich ihn preisen,
Der in der S?lle der laendlichen Flur,
Fern von des Lebens verworrenen Kreisen
Kindlich liegt an der Brust der Natur.
Schiller.
Trop heureux le berger ou le sage mortel
Qui vit tranquillement loin d'un monde cruel
Il échappe aux fureurs de ces ceurs homicides
Dont la haine jalouse arme les mains perfide.
Hagedorn
Begesgnen sich die Geisteri, Verwandt im Lichtrevier,
Das ist des Lebens Freude, Das ist des Lebens Zier.
Ad v Chamisso.
Die Nachtigall auf meiner Flur Singt: Hoffe du nur!
Hoffe du nur!
D ie Fruhlingslufte wehen. Ein Dornenstrauch
schlief ein zur Nacht, E
in Rosenbusch ist aufgewacht; So mag's auch dir ergehen.
Hoffe du nur
Emanuel Geibel.
Hoffnung auf Hoffnung gehet zu Scheiter, Aber das Herz hofft immer
weiter;
Wie sich Wog' uber Woge bricht, Aber das Meer erschöpft sich nicht.
Ru ck e r t.
Siehst du den Stern am Himmel stehn? Dich freut's, dass er dich anblickt
mild
Doch musst' er lang herniedersehn, Eh deinen Blick erreicht sein Bild.
So ging auch mancher Seele auf Ein Stern des Glucks, sie wusst' es nicht;
Und erst nach vieler Jahre Lauf, Empfindet sie sein Segenslicht.
Julius Hammer
Die wahre Tugend ist, dass jeder jede Frist
Das tuchtig thut. wozu er taugt und tuchtig ist.
Ruckert.
Willst du, o Herz, ein heitres Ziel erreichen, Musst du ir eigner Angel
schwebend ruhn;
Ein Thor versucht zu gehn in fremden Schuh'n, Nur mit sich selbst kann
sich der ~ann vergleichen;
Gottfried Keller
Wer sich an Andre halt, Dem schwankt die Welt; Wer auf sich selber
ruht, Steht gut.
Paul lIeyse.
Was man sich selbst erfinden muss, lasst im Verstande die Bahn zurueck,
die auch bei einer anderen Gelegenheit gebraucht werden kann.
Lichtenberg.
Halte fest am frommen Sinne,
Der des Grenzsteins nicht vergass.
Das Heil liegt mitténinne,
Und das Höchste bleibt das Mass!
Glucklich, wem die Tage fliessen
Wechselnd zwischen Freud' und Leid
Zwischen Schaffen und Geniessen,
Zwischen Welt und Einsamkeit.
Im selben Maass du willst empfangen, musst du geben.
Willst du ein ganzes Herz, so gieb ein ganzes Leben.
Rueckert
Hat dich die Liebe beruhrt, Still unter laermendem Volke, Gehst du
auf goldener Wolke,
Sicher vom Gotte gefuhrt. Nur wie im Traume umher Laessest
die Blicke du wandern.
Gönnst ihre Freuden den andern, Tragst nur nach Einem Begehr.
Schaust in dich selber verzueckt, Möchtest dir hehlen vergebens, Dass
nun die Krone des Lebens Strahlend die Stirne dir schmuckt.
Paul Heyse
Das eben ist der Liebe Zaubermacht, Dass sie veredelt, was ihr Hauch
beruhrt,
Der Sonne ahnlich, deren goldner Strahl Gewitterwolken selbst in`Gold
verwandelt.
Franz Grillparzer.
Die That allein beweist der Liebe Kraft.
Goethe.
Das ist der Liebe heil'ger Gottesstrahl, Der in die Seele schlagt und
trifft und zundet,
Wenn sich Verwandtes zum Verwandten findet; Da ist kein Widerstand
und keine wahl,
Es löst der Mensch nicht was der Himmel bindet.
Schiller
Der grösste Segen auf dem Erdenrund fuerRahr,
Wenn Weib und Gatten treuer Eintracht Band umschlingt.
Euripides
Die Flamme wachst vom Zug der Luft und mehrt den Zug,
So halt sich Leidenschaft durch Leidenschaft im Flug.
Das Feuer schurt der Wind und löscht das Feuer wieder,
So kampfet Leidenschaft die Leidenschaft darnieder.
Wie still die Lampe brennt am windbeschirmten Ort,
So ein beruhigt Herz in Andacht fort und fort
Friedr. Rueckert
In des Herzens heilig stille Raume, Musst du fliehen
vor des Lebens Drang.
Freiheit is nur in dem Reich der Traeume, Und ddas Schoene blueht nur
im Gesang
Schiller
Wie köstlich ist des gegenwart'gen Freundes Gewisse Rede,
deren Himmelskraft Ein Einsamer entbehrt.
Goethe.
Wer Freunde sucht, ist sie zu finden werth, Wer keinen hat, hat keinen
noch begebrt.
Lessing.
Auf Treue ruht des ganzen Lebens Bau.
Raupach.
Denn mir verhasst ist Jener so sehr wie des AIdes Pforten,
Wer ein Anderes birgt in der Brust und ein Anderes aussprichti
Homer.
Der Erde köstlichster Gewinn
Ist frohes Herz und reiner Sinn.
Seume.
Denn bessre Wehr, als Schild und Panzer schaffen,
Sind nackter Brust der IJnschuld heil'ge Waffen.
Tasso,
Einfa¢h sind die Reden der Wahrheit.
Aeschylus
Verstellung ist der offnen Seele fremd
Schiller
Die IJnschuld
Hat eine Sprache, einen Siegerblick
Der die Verleumdung maechtig niederblitzt
Schiller.
Das Wort der Wahrheit, Mutter, ist einfach und schlicht,
Und schlauer Wendung Kunste braucht das Rechte nie; Es tragt in sich
die Starke;
nur das Böse hati l~nnstreicher Schminke nöthig, weil es
krankt in sich.
- Euripides (Phoenikkesinnen)
Ganz leise spricht ein Gott in uns'rer Brust, Ganz leise,
doch vernehmlich zeigt er an, as zu ergreifen ist und was zn fliehn.
- Goethe.
Ein Gott ist, ein heiliger Wille lebt,
Wie auch der menschliche wanke.
Hoch uber der Zeit und dem Raume webt `
Lebendig der höchste Gedanke.
Und ob Alles in ewigem Wechsel kreist,
Schiller
Wirf, du Erdensohn, deinen 4nlrer nicht in di~ Tiefe des Erdenschlammes
sondern in die Hohe des Himmelsblaues.
Jean Paul
Strecke die Hand nur empor im Gebet! Gott fasst sie von oben
Und die Beruhrung durchströmt dich mit geheiligter Kraft
Emmanuel Geibel
In Licht und Schatten rinnet unser Leben.
Demuthig sei im Gluck! Und *L der Nacht kein Beben.
W as ist's, das unste rbliche G eist er entzuckt, Wenn sie niederblicken
zur Welt? - E*n llerz, welches IJngluck nicht niederdruckt, Ein ~Iuth,
der im Kampfe sich halt.
Mahlmann
Misskenne den Werth der Sorgen nicht, Du hast sie nicht vergebens.
Sie sind das treibende Gewicht Am Uhrwerk deines Lebens.
Sorg, aber sorge nit zu viel, Es kommt doch, wie's Gott haben
will
Otto Graf Mansfeld
Mach dir's doch deutlich, dass das Leben, Zum Leben eigentlich gegeben,
Nicht soll's in Grillen, Phantasien und Spintisirerei entfliehn:
So lang' man lebt, sei man lebendig.
Goethe.
Gut verloren, wenig verloren.
Kannst rasch dich besinnen und neues gewinnen. Ehre verloren, viel
verloren.
Musst Ruhm gewinnen, damit die Leute sich anders besinnen. Muth verloren,
alles verloren.
Da war' es besser, gar nicht geboren!
Arbeit ist des Blutes Balsam, Arbeit ist der Jugend Quell
Herder.
Die Arbeit, die uns freut, wird zum Ergötzen.
Shakespeare.
Wem freudig wohl das Gluck die schönste Palme beut?
Wer freudig thut, sich des Gethanen freut.
Goethe.
Leichter traget, was er traget"
Wer Geduld zur Burde leget.
Fr. v. Logau.
Dulde, gedulde dich feinlich, warte ein Stundelein
" Ist deine Eimer voll Sonne;
Paul Heyse
Was immer der Verstand auch sinnt. Sein Lieht bleibt kalter Schein.
Es wohnt das Glueck, das Himmelskind, Im Herzen nur allein.
Die Zeit verlöscht des Geistes Licht Verweht's wie Schutt und Rauch;
Des Herzens heil'ge Flamme spricht Noch aus dem letzten Hauch.
Ach wenn das arme Herz verwaist Das ist der herbste
Schmerz.
Die Welt erobert sich der Geist, Den Himmel schenkt das Herz.
Nie steht im Schmerz ein guter Mensch allein. Denkst du verlassen dich
und willst verzagen; Hast du kein Heim, nennst du nicht Freunde dein, Schlaegt
dir kein Herz,
dem du dein Leid kannst klagen, Dann wirst du Trost und Lindrung kennen
lernen
Vom lieben Vater droben ueber'n Sternen; Blick' glaeubig nur empor
zum Himmelslicht: Zum Beten braucht der Mensch der Worte nicht!
Schutt' deinen Kummer nur dem Vater aus,
Lass deine Seele mit dem Schöpfer reden. -
Du brauchst dazu kein prachtig Gotteshaus,
Alluberall darfst frei du zu ihm beten.
Du brauchst nicht Altar, nicht den Glanz der Kerzen,
Nicht Rosenkranz. —Bet' nur mit warmém Herzen.
Gott hört, was stumm die fromme Seele spricht:
Zum Beten braucht der Mensch der Worte nicht
Wie weht's und lebt's im Wald, auf gruner Flur,
Am Himmelszelt Millionen Welten kreisen.
Gott predigt laut im Tempel der Natur;
Du hörst die Schoepfung ihren Schöpfer preisen.
Bewundernd blickst voll Andacht du zur Höh'.
Es fuhlt dein Herz: Gott ist in deiner Nah';
In trueber Seele wird es plötzlich licht:
Zum Beten braucht der Mensch der Worte nicht
Un d wenn der letzte Ton v erklungen, In's Meer der letzte Tropfen
rann,
So faengt ein Lied in höhern Zungen, Im höheren Licht ein
Leben an.
Max v. Schenkendorf